Potsdam-Mittelmark: Lebenshilfe aus Bergholz-Rehbrücke: 1000 Decken für das Klinikum Solikamsk
Hauskrankenpflegerin Gabriele von Gagern engagiert sich für russisches Krankenhaus
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Hauskrankenpflegerin Gabriele von Gagern engagiert sich für russisches Krankenhaus Von Kirsten Graulich Nuthetal. Ständig wurden ihre Telefongespräche in die russische Stadt Solikamsk unterbrochen. Immer waren es technische Verbindungsprobleme, erzählte Gabriele von Gagern vom schwierigen Start ihrer Hilfsaktion für ein russisches Krankenhaus. Aber aufgeben kam ihr erst gar nicht in den Sinn, am anderen Ende der Telefonleitung wurde ihre Hilfe dringend gebraucht. Ganz konkret: Fieberthermometer, Bettwäsche, Handtücher, Decken und andere medizinische Hilfsmittel. Das hatte sie bereits aus den Telefonaten mit dem Leiter der Klinik, Valerie Byazrow, erfahren können. Aber es gab auch vieles, was am Telefon einfach nicht geklärt werden konnte. So versuchte sie dem Arzt beispielsweise die Vorzüge einer Dekubitus-Matratze zu beschreiben, mit der ihr häuslicher Kranken- und Altenpflegedienst bereits gute Erfahrungen hat. Doch solche Matratzen, die Wundliegen verhindern, kennt im Klinikum von Solikamsk niemand. „Er muss selbst kommen, alles andere hat keinen Zweck", lud sie den russischen Arzt und seine Frau kurz entschlossen nach Bergholz-Rehbrücke ein und besorgte Tickets für den Flug ab Moskau. Bei der Ausländerbehörde beantragte sie die entsprechenden Papiere. Die Mitarbeiter der Behörde wünschten ihr Glück, denn eine Reise vom Ural nach Deutschland kann schwierig werden. Auch Valerie Byazrow erfuhr, wie groß der Spielraum russischer Behörden ist, als er in Moskau sein Visum abholen wollte. Lange musste er warten bis, genau eine Minute vor Feierabend, sein Name aufgerufen und ihm die Papiere ausgehändigt wurden. Auf solche Schwierigkeiten hat sich Gabriele von Gagern bereits eingestellt, denn im Herbst will sie den Hilfstransport nach Russland begleiten. „Um einen Container rüber zu bekommen, brauchen wir etwa 15 000 bis 20 000 Euro." Rund 300 Kilometer vom Nordpol und 1580 Kilometer von Moskau entfernt liegt Solikamsk. Die Stadt am Fluss Koma zählt 106 000 Einwohner und das Klinikum mit 380 Betten ist das größte Krankenhaus der Stadt. In der 1980 eröffneten Klinik arbeiten zurzeit 174 Ärzte und 360 Krankenschwestern. Bettwäsche und Decken bringen die Patienten selbst mit, manchmal muss ein Operationstermin auch verschoben werden, „wenn es etwas nicht gibt", berichtete Valerie Byazrow gestern gegenüber den PNN. Viele Probleme werden kreativ gelöst, wie die selbst genähten OP-Masken. Manchmal fehlt aber auch fließendes Wasser und vor allem fehlt Geld. Dass sie zwei Monate kein Gehalt bekommen, ist für das Klinikpersonal nichts Neues, denn die staatliche Verwaltung wird erst wieder im März Geld erhalten. „Für die Verwaltung ist das normal, die denken nicht an die Leute", sagt Byazrow. Als er in Sowjetzeiten die Klinik übernahm, sorgte der Staat für das Notwendige, heute hätten einfache Familien nicht einmal mehr Geld für Medikamente. Reiche dagegen kriegen alles, sind aber nicht bereit zu helfen. Um so überraschter war er über den Anruf aus Deutschland. Da wollten Unbekannte helfen und dringend benötigte Hilfsmittel schicken. Er habe einige Zeit gebraucht, um zu begreifen, dass ernst gemeint ist, sagte er sichtlich bewegt. Gabriele von Gagern hat über die Situation in Russland von ihrer Mitarbeiterin Helena Mayer erfahren, die als Spätaussiedlerin nach Deutschland kam und zuvor im Solikamsker Klinikum arbeitete. Um zu helfen haben sie einen Verein „Lebenshilfe für das Klinikum Solikamsk" gegründet. Die sieben Vereinsmitglieder hoffen, dass mehr daraus wird als nur ein Tropfen auf einen heißen Stein, mindestens 1000 Decken wollen sie sammeln. Ein bisschen herumgesprochen hat sich die Initiative bereits. So bekamen sie von Schülern des Humboldt-Gymnasiums ein Pflegebett, das diese für ein Theaterstück nutzten. Außerdem wollen die Schüler den Arzt kennen lernen, auch um ihre Russischkenntnisse testen zu können. Unterstützung sagte gestern auch Bürgermeister Gerhard Ling für das Projekt zu. Er will vor allem seine Kontakte zu Firmen und Institutionen des Ortes einbringen. Den neu eröffneten Fachladen für Rehabilitationstechnik Deiramed lernte das Ehepaar Byazrow gestern bereits kennen. „Solche Geschäfte gibt es in Russland nicht", staunte der Arzt über das große Angebot. Besonders über den elektrischen Rollstuhl mit sechs Stundenkilometern. „Das ist wirklich schnell", meinte er und Ramona Huber versprach: „Wir werfen ab jetzt nichts mehr weg." Wer die Aktion mit Decken, Bettwäsche, Handtüchern u.ä. oder Geldspenden unterstützen möchte, kann sich beim Pflegedienst Gabriele von Gagern, Arthur-Scheunert-Allee 2 (Gelände Auto-Unger) melden. Tel.: (03 32 00) 4 0211
Kirsten Graulich
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