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Potsdam-Mittelmark: Lebensretter gehen in Berufung

Müssen Rettungswachen nach Vergaberecht ausgeschrieben werden? Malteser und DRK meinen: Ja

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Potsdam-Mittelmark - Der Streit um die Neuvergabe der Rettungswachen in Potsdam-Mittelmark geht in die nächste Instanz. Im Juli hatte der Kreistag die umstrittene Neuvergabe von 13 Rettungswachen beschlossen. Die DRK Rettungsdienst Potsdam-Mittelmark gGmbH und die Malteser Hilfsdienst gGmbH kündigten gestern an, das Vergabeverfahren nun beim Oberlandesgericht und beim Oberverwaltungsgericht prüfen zu lassen. Beide sind der Meinung, dass die strengen Kriterien für öffentliche Vergabeverfahren anzuwenden sind, was nicht geschehen sei. Das Landratsamt beruft sich derweil auf das „Verwaltungsverfahrensgesetz“, in dem größere Spielräume bei der Auftragsvergabe gelten: Als hoheitliche Aufgabe sei der Rettungsdienst dem Vergaberecht entzogen.

Mit einem Einspruch bei der Vergabekammer des Landes Brandenburgs waren die Malteser zuvor gescheitert. Sie hatten unter anderem moniert, dass die Bieter erst nach Abgabe ihrer Angebote erfahren hätten, in welchem Prozent-Maßstab Kriterien wie Nutzwertanalyse, Preis und Bietergespräch zur Angebotswertung herangezogen werden. „Das muss in jedem Ausschreibungsverfahren vorher veröffentlicht werden“, sagte Jan-Christoph Czichy, Malteser-Rettungsleiter Nordost, gegenüber den PNN. Vergabekammer und Landratsamt sehen es anders: Für sie handelt es sich um eine hoheitliche Aufgabe, die nicht den strengen Kriterien des „Gesetzes gegen Wettbewerbsbeschränkungen“ unterliegt.

Mit derselben Argumentation ist die Bundesrepublik Deutschland allerdings unlängst bei der EU-Kommission gescheitert. Die Kommission hat Deutschland deshalb im Juli wegen der Vergabepraxis im Rettungsdienst verklagt. Nach Meinung der Kommission ist selbst mit einer hoheitlichen Aufgabe kein Verstoß gegen das Vergaberecht zu rechtfertigen.

Sie wirft den Ländern Sachsen-Anhalt, Nordrhein-West falen, Sachsen und Niedersachsen vor, rettungsdienstliche Leistungen in diesem „bedeutsamen Markt“ mit Auftragsvolumen von „mehreren hundert Millionen Euro pro Jahr“ nicht europaweit ausgeschrieben zu haben. Auch in Potsdam-Mittelmark wurde die Ausschreibung nur in Brandenburg, Berlin und Mecklenburg-Vorpommern bekannt gemacht. Auftragsvolumen hier: fast 30 Millionen Euro. Diese Praxis, meint die EU-Kommission, verstoße gegen die europäische Niederlassungs- und Dienstleistungsfreiheit und das EU-Vergaberecht. Mit einem Urteil des EuGH ist frühestens nächstes Jahr zu rechnen.

Auch für das DRK ist es ein interessantes Verfahren: Das Potsdamer Verwaltungsgericht hatte vor zwei Wochen den Eilantrag des DRK gegen die Neuvergabe abgewiesen – weil der Rettungsdienst eine hoheitliche Aufgabe sei und „die speziellen Vorschriften über die Vergabe öffentlicher Aufträge nicht zur Anwendung“ kämen. DRK-Rettungsdienstleiter Wolfgang Klamt kündigte gestern gegenüber den PNN eine Berufung an.

Wie sein Malteser-Kollege Czichy zeigte sich Klamt zudem verwundert, dass sich das Unternehmen „Promedica Rettungsdienste GmbH“ ohne gültigen Tarifvertrag bewerben konnte (PNN berichteten) und dennoch eines der vier Lose zugesprochen bekam. Ein Tarifvertrag war Voraussetzung für eine Bewerbung. „Das ist für mich absolut nicht nachvollziehbar und schafft nun noch zusätzliche Verunsicherungen für die betroffenen Mitarbeiter“, sagte Klamt.

Henry Klix

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