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Aneignungskunst. Franziska Meinert schuf alternde Leute aus Pappmaché.

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KulTOUR: Leipziger Litanei

Zeichnungen, Modekunst und Skulpturen in Töplitz

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Werder (Havel) - Drei charmante junge Damen haben die neue Saison des Vereins Havel-Land-Art in der Insel-Galerie Töplitz eröffnet. Sie alle muss wohl Goethes faustisches Lob auf die Stadt Leipzig einen, denn Franziska Meinert, Alexandra Kiesel und Tiziana Jill Beck haben sämtlich, wenn auch nicht unbedingt gemeinsam, die dortige Kunsthochschule besucht. Was man dort unter dem Kürzel „genreübergreifendes“ Denken und Tun als erstes lernt, findet sich auch in der Galerie wieder.

Franziska Meinert holte sich Katastrophenbilder aus dem Internet, baute die Situationen modellhaft nach, um sie dann wieder zu fotografieren und unter dem Titel „De-Konstruktion“ als Bildwerk an die Wand zu bringen. Ganz schön kompliziert, vielleicht auch richtig umständlich. Dasselbe geschieht mit alten Fotografien. Weiterhin hat es ihr gefallen, alternde Leute als Mini-Menschen mit Pappmaché und Modelliermasse nachzubilden, gleichfalls Fontane, Goethe mit Pudel und Agatha Christie. „Aneignungskunst“ nennt sie ihr Verfahren, und merkt vielleicht gar nicht, wie sehr sie daran mitschafft, die Welt in den Bildern verschwinden zu lassen. Trotzdem ein lehrreicher Ansatz, aus Wirklichkeiten wieder Modelle zu machen, auch wenn diese über ihren eigenen „Realismus“ nicht hinauskommen oder darin versinken.

Gleichfalls genreübergreifend, aber nicht immer überzeugend zieht die Modedesignerin Alexandra Kiesel gegen den allgemeinen Konsumterror samt dazugehörendem Konsumismus zu Felde. Zwischen diesen Polen hätten sich fürwahr Blitze erzeugen lassen, die junge Frau begnügt sich damit, als Ausdruck ihres künstlerischen Wollens identische Kleider auf einen Ständer zu hängen oder (nicht unironisch) einen Tellerrock nebst Innenspiegel an die Leine zu nehmen, zum Hintersichherziehen in der Öffentlichkeit. Das flockige Design der Stoffe hat ihre Kollegin Tiziana Jill Beck entworfen.

Diese interessiert sich in eigener Sache für das Thema „Arbeitswelt“, vor allem in Übersee, wo es unter dem Begriff „casual friday“ vier Tage lang korrekt, den fünften aber gemütlich zugehen soll, leger in Kleidung und Gebaren. Dazu hat sie eine Serie von Zeichnungen in unterschiedlichen Techniken geschaffen, mit denen sie hinter den Schein dieses Seins geblickt haben will. Körperausdruck und Gestik sind dabei wichtiger als ein Gesicht, vielleicht ist das recht, manchmal endet ein langer Hals ja im Nichts.

Dass diese weibliche Troika charmant und gesprächsbereit ist, muss man nicht extra betonen. Nicht jeder Besucher aber wird sich ihr Werk erklären lassen können – oder wollen. Wer freilich mit ihnen spricht, wird bald merken, wie sehr ihr Denken und Tun noch von Begriffen und akademischen Schemata beherrscht wird, von erklärten Vor-Bildern also, zu denen sogar Aristoteles zählt. Sollte man nicht besser von Künstlern lernen, statt von Philosophen? Letztendlich wird erst das Leben und die Erfahrung die drei jungen Frauen lehren, was der Unterschied ist zwischen einem Entwurf auf dem Weg und vollendeter Kunst. Aber dazu sind solche Ausstellungen ja auch da – und eines Besuches allemal wert.

Wer lernen will, lernt überall, sogar von gestapelten Schuhen! Also Leipzig diesmal, statt Giebichenstein, auch nicht schlecht. Die Galerie Töplitz hat ja öfter mal eine Inklination zum Praktischen, Angewandten.Gerold Paul

An der Havel 68, bis 12. Mai Sa., So. 14-18 Uhr, Mo. bis Fr. 16-18 Uhr.

Gerold Paul

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