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Balzzeit. Rafaelo baggert Carol auf dem Hundeturnplatz an.

© pr

KulTOUR: Liebe jenseits der Siebzig

Joe DiPietros „Noch einmal verliebt“ auf der Kleinen Bühne Michendorf einfühlsam inszeniert

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Michendorf - Irgendwann ist immer die letzte Liebe, die letzte Chance. Man will es einfach noch einmal wissen, egal, was vorher war, im Alterstaumeldusel ist man dann einfach „Noch einmal verliebt“, genau wie damals Erzgreis Goethe in die jugendfrische Ulrike. Ganz so extrem geht es in dem gleichnamigen Stück des US-amerikanischen Autors Joe DiPietro aus dem Jahr 2008 aber nicht zu, immerhin sind Rafaelo Bellini und Carol Reynolds schon über siebzig, als sie sich das erste Mal auf einem Hundeturnplatz in Kansas begegnen.

Der gebürtige Italiener balzt die einstige Chefsekretärin sehr gekonnt an, sie aber weiß nicht so recht, irgend etwas scheint zwischen ihnen zu stehen. Vielleicht Ralfs Schwester, eine Erz-Katholikin, die ihrem getürmten Mann seit mehr als zwanzig Jahren die Scheidung verwehrt, oder schlummert der Butz im Dreipersonenstück etwa bei Carol selbst?

Siegfried Patzer hat in seiner „vielleicht letzten Inszenierung“ für die „Kleine Bühne Michendorf“ alle ihm möglichen Register gezogen, diesem tiefsinnigen Leichtgewicht von Stück das wahre Leben einzuhauchen; dass es dabei nicht ganz ohne eigenes Herzblut ging, das nur am Rande. Zunächst einmal ist die gute Besetzung anzumerken. Der Portugiese Vasco Esteves als Rafaele ist Charmeur und Erzkomödiant in einer Person, was er auf der zweigeschossigen Bühne spielt, glaubt man ihm aufs Wort. Ziel seines späten Begehrens – wer weiß, wie lange er’s noch macht – ist Aloisia Zöller mit mancherlei Facetten.

Zwischen ihnen steht die herbe Schwester Rose, ganz streng und sehr sparsam von Helga Lerch gegeben. Wenn aus dem Seniorenpärchen etwas würde, hätte sie, die für den Bruder wäscht und kocht, eine Menge zu verlieren. Und dann ist da noch ein junger Mann, einerseits das jugendliche Konterfei von Rafael, als Tenor zugleich für die Herz- und Schmerz-Arien aus diversen Opern zuständig. Lars Schmidt gibt die Parts aus Puccini, Verdi oder Bellini natürlich live, und hilft auch sonst bei den Szenenübergängen; tolle Idee.

Siegfried Patzer hat die knapp zweistündige Inszenierung ganz auf das Wort gestellt. Wenig szenische Aktion. Zwei Stufen quer über die Bühne (Siegfried Patzer) teilten das Spielfeld in oben und unten. Grundfarben Grau und dunkles Braun für den Vorhang hinten. Keine Kulissen diesmal, was diesem Spiel wohltut, so werden die Figuren im dialogklugen Auf- und Abbau ihrer Freuden und Enttäuschungen stets im Zentrum gehalten.

Ein „dunkles Geheimnis!“ gibt es ja im Stück, es verhindert nicht nur die gemeinsame Reise das Paares zur fernen Oper in Italien, es stört sogar das Happy End. Dieser Trick des Autors verschafft der Geschichte zuletzt noch mal einen richtigen Tiefgang, open end ist immer gut.

Die Regie sehr einfühlsam, ganz auf gefühlvolle Effekte und Balancen bedacht, manchmal bis zur Sentimentalität. Sicher hätte sich mancher Part vertiefen lassen, beim Thema Hund auf dem Hundeturnplatz, oder im Inneren von Rose, in toto aber läuft die Inszenierung so vortrefflich, dass sogar eine Sonntagnachmittagsvorstellung beinahe ausverkauft war. Und Szenenapplaus, wie das in Michendorf öfter mal üblich ist.

Weil letztlich doch nicht alles aufgeht zwischen Carol, Rose und Ralf, weiß der Autor sie samt Publikum mit einem wunderbaren Satz zu trösten: „Und doch, es ist der Liebe wegen, dass wir leben wollen!“ Deshalb klang das dreimalige „Ciao“ der Spieler beim Finale auch nicht völlig rat- und hoffnungslos. Gerold Paul

Vorstellungen an den Maiwochenenden Freitag und Samstag 19.30 und Sonntag 17 Uhr, Potsdamer Straße 42.

Gerold Paul

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