KulTOUR: Liebeserklärung an Ferch
In der Obstkistenbühne wurde auf die Mittelmärkischen Literaturtage eingestimmt
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Schwielowsee · Ferch - Lob den Erfindern der Mittelmärkischen Literaturtage, Lob auch jenen, die sie jüngst mit einem lebhaften Programm der musikalisch-literarischen Art in der Fercher Obstkistenbühne eröffneten. Groß und Klein sind nun zwischen Treuenbrietzen und Lehnin, Beelitz und Ziesar aufgerufen, mal wieder nach einem Buche zu greifen – in der Finsternis der jetzigen „medialen“ Zeiten ein geradezu ritterliches Anliegen.
Ingrid und Wolfgang Protze gaben also mit „Eine Weile ging das Geplauder“ nicht nur den Auftakt zum literarisch-mittelmärkischen Schmökern, sondern als „Literatur am Kamin“auch etwas Kühlung im heißen April. Umrahmt von alten und neuen Liedern eigener Bauart, waren Geschichten, Sprüche, Anekdoten (es hätte eine Handvoll mehr davon gewesen sein können) und sogar Essays von Theodor Fontane, Käthe Kollwitz und dem heimischen Maler-Ikon Karl Hagemeister angekündigt. Kaffee und leckere Schokocremetorte für die zwanzig Gäste vorab, Gespräche über Dachdeckerei und Reisgerichte im allgemeinen Gemurmel.
Dann endlich griff Wolfgang Protze zur Gitarre, seine Gattin zum Akkordeon, um mit den ersten Songs zuerst einmal den Fercher Winter mit seinen Eisblumen und den zugefrorenen Schwielow zu besingen. Lampenfieber bei der Premiere, klar. Aber die beiden können sehr schön singen, gut schreiben, und die lockere, manchmal fast unsichere Art, mit der sie die fast zeitgleich klingelnden Handys im Publikum überspielten, machte das „Geplauder“ höchst sympathisch. Improvisation soll ja auch zu den Künsten zählen.
Davon hatte dieses Programm ja auch. Nachdem nun der „Winter am Kamin“ dahin war, wo alles „nach Erinnerungen riecht“, hörte man den alten Neuruppiner vom Schwielow schwärmen, der im Vergleich zum finsteren und tückischen Müggel ganz voller Sanftmut, aber auch nicht „ohne“ sei. Theodor Fontane war genauso vor Ort wie Käthe Kollwitz und zehn Jahre früher die ersten Pioniere der „Havelländischen Malerkolonie“: Karl Hagemeister fühlte sich hier auf seiner „ersten Weltreise“ von Berlin her pudelwohl, die Kollwitz schwärmte, wie Ewald von Kleist zuvor auch.
Man hörte sehr stimmige Duette über die weißwallenden Nebel am See, Kindheitserinnerungen von Ingrid Protze an den Großvater, ein paar selbstgemachte Gedichte, alles in einer ganz unaufwändigen und lockeren Art präsentiert. Eine einzige Liebeserklärung an Ferch und sein Gewässer.
Natürlich wurde darüber gemunkelt, dass er einstmals viel größer gewesen und sich allmählich zurückgezogen hätte, was der Mär von der schönen Nixe und dem armen Ritter, der sie liebte, neue Nahrung gab: Ihr nixischer Beschützer hat den Ärmsten dann eines Tages geholt. Gegenwärtiger war das flotte Lied von den Seeräubern, welche „Geltow ausgeraubt“ und Ferch „bis aufs Blut“ geplündert – na ja, so etwas geht heute auch nur einmal.
Der „Wiesensteg-Reggae“ besingt ein altes und neues Wahrzeichen des Ortes. Man erfuhr, dass es 1997 einen „weißen April“ gab. Was Herr Einstein freilich wegen eines kleinen Steins, der Liebsten ans Fenster geworfen, entschuldigen soll, blieb auch physikalisch unklar.
Eine sehr angenehme Stunde mit Wort und Musik. Die Textbeiträge sind ausbaufähig, aber wenn der frische und so warm ans Lokale gebundene Impetus bleibt, dann lohnt es sich, wieder zur Obstkistenbühne zu kommen, auch wenn die Literaturtage schon Geschichte sind.
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