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Für die Unabhängige Bürgerinitiative sprach Katharina Doyé auf der Bürgerversammlung am 15. November 1989 in Bergholz-Rehbrücke.

© privat

Von Ute Kaupke: „Mache ich hier das Licht aus?“

Vor 20 Jahren wurde in Bergholz-Rehbrücke die Unabhängige Bürgerinitiative (UBI) gegründet

Stand:

Nuthetal - „Mache ich hier das Licht aus?“ fragte sich Karin Röhr im Herbst 1989. Die meisten Freunde waren aus der DDR geflohen. Wegen Mitwisserschaft war ihr Mann zwei Tage in Untersuchungshaft. „Wir haben nichts mehr zu verlieren“ sagte sie sich. Am 22. Oktober 1989 saß sie mit anderen Bergholz-Rehbrückern im Wohnzimmer der Theologen Katharina und Götz Doyé. Sie wollten etwas ändern und gründeten die Unabhängige Bürgerinitiative (UBI). 20 Jahre später traf man sich jetzt wieder, um sich zu erinnern.

Im Wendejahr hatte Katharina Doyé Bärbel Boley und das Neue Forum kennengelernt. Die Frage lautete: Ist es auch in Bergholz-Rehbrücke zu schaffen, einen Weg des Widerstandes zu gehen? Heftigen Bürgerprotest hatte es in der Gemeinde bereits Anfang 1989 gegeben. 30 Eingaben von Einwohnern richteten sich gegen einen geplanten Schlachthof mit Bahnanbindung im Landschaftsschutzgebiet Springbruch. Am 12. Januar 1989 waren die Beschwerdeführer von den Behörden deshalb zur „Information“ eingeladen worden. Die Wellen schlugen hoch. Uwe Jaeger – später ein Gründungsmitglied der UBI – drohte, die Kommunalwahl im Mai 1989 zu boykottieren. CDU-Gemeinderatsmitglied Gerhard Ling kündigte an, sein Mandat niederzulegen, wenn gebaut wird. Der Protest hatte Erfolg – die Schlachthof-Pläne wurden nicht umgesetzt.

Am 7. Oktober musste man jedoch auch in Bergholz-Rehbrücke frustriert zur Kenntnis nehmen, dass der Jahrestag der Republik „wie immer“ ablief. Tim Jaeger, gerade 17, malte deshalb am Küchentisch Plakate, verfasste kritische Wandzeitungen für die Berufsschule. Kopierer gab es noch nicht.

Wenige Wochen nach ihrer Gründung, am 15. November 1989 wurde der UBI von den Behörden eine Bürgerversammlung genehmigt. Bedingung: nur in Verbindung mit der Nationalen Front. Der Parteisekretär der SED-Ortsgruppe kniff. Die Blockparteien lehnten die SED-Führungsposition jetzt offen ab. An diesem Abend fragte Uwe Jaeger Gemeinderatsmitglied Gerhard Ling: „Schorsch, willst Du uns den Bürgermeister machen?“

Am 21. Dezember 1989 beantragte Jaeger dann, die anwesenden Bürger im Saal der Volksvertretersitzung offen über den wieder kandidierenden bisherigen Bürgermeister Heinz Riedel abstimmen zu lassen. Keine Hand hob sich für ihn. Mehrheitlich zogen die Volksvertreter offiziell nach. Ling wurde als kommissarischer Bürgermeister gewählt und steht auch heute noch an der Spitze der Gemeinde. „Wir waren die erste Kommune im Bezirk Potsdam, die ihren DDR-Bürgermeister in Rente geschickt hat“, erinnert sich Uwe Jaeger. Unter dem Weihnachtsbaum wurde 1989 dann „demokratische Schule“ gemacht. Mit dem im Westen lebenden Bruder diskutierten Doyés über die Reformierung der Bildung. Man studierte Schultypen, um für den Heimatort das richtige Konzept zu finden. „Der Bruch nach 40 Jahren DDR brachte einen Scherbenhaufen mit sich. Daraus etwas aufzubauen, war eine Herausforderung“ erzählt Brigitte Knuth auf dem Jubiläumstreffen. Dass mit Götz Doyé ein Pfarrer in der Schulkonferenz mitwirkte, war neu. Wer in der DDR seiner Konfession folgte und nicht der Freien Deutschen Jugend (FDJ) beitrat, erlebte oft Ablehnung – kein Studienplatz, keine Karriere.

Erika Haenel, die später zur UBI gestoßen war, gründete im Juni 1991 den Ortsverein Bergholz-Rehbrücke e.V. als Basis für die Herausgabe der Monatszeitschrift „Nuthe-Boten“, mit der die weitere Entwicklung der Gemeinde bis zum heutigen Tag oft auch kritisch begleitet wird. „Wir haben mit der UBI etwas angestoßen“ sagt Katharina Doyé im Rückblick. „Mit meinem Wissen von heute möchte ich die Zeit nochmals erleben“ resümiert Götz Doyé. Erika Haenel wurde bei den Kommunalwahlen im vergangenen Jahr erneut als Gemeindevertreterin gewählt. Tim Jaeger arbeitet heute als Journalist. „Ich habe einen anderen Blick auf Politiker als viele meiner Kollegen, denn ich habe selbst Politik gemacht“, sagt er.

Ute Kaupke

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