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Musiker und Pädagoge: Adel Tawil begeisterte die Kinder der 6a mit Gesangseinlagen und Lebensweisheiten.

© Bernd Settnik/lbn

Von Thomas Lähns: „Macht bloß die Schule zu Ende!“

Die Deutschpop-Gruppe „Ich+Ich“ übernahm für zwei Stunden den Musikunterricht bei der 6a an der Otto-Nagel-Grundschule

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Nuthetal - Das Lied kennen sie alle: „Du bist vom selben Stern, ich kann Deinen Herzschlag hör’n...“. Voller Inbrunst singen die Kinder der 6a an der Otto-Nagel-Grundschule mit – vielleicht noch ein bisschen lauter als sonst. Denn den Musikunterricht hat heute Adel Tawil übernommen. Der Sänger der Band „Ich+Ich“ tanzt durch die Bankreihen, dirigiert – und geht in seiner Rolle als Lehrer vollständig auf. „Ihr seid ein toller Chor“, lobt er die Kinder. „Das haben wir bei Frau Ruhm gelernt“, geben sie zurück, und die die eigentliche Musiklehrerin in der hinteren Reihe lächelt stolz.

Der Sender „Radio Teddy“ hat Tawil und seinen Gitarristen Jan Terstegen zu einer Doppelstunde an einer märkischen Schule überreden können und den Unterricht verlost. Gewonnen hat der elfjährige Pascal aus der 6a. Bereits vor dem Stundenklingeln war die ganze Schule im Aufruhr: Dicht drängten sich die Nagel-Schüler vor der Eingangstür in der Hoffnung, ein Autogramm zu ergattern. Adel Tawil hat geduldig für jeden unterschrieben, auch wenn die Lehrer schon auf die Uhr gepocht haben.

Die 6a hat ihn dank Pascal nun für sich alleine. Nach einer Vorstellungsrunde, bei der sich die Schüler einen Ball zu werfen und der Fänger etwas über sich erzählen muss, stellt sich heraus: Viele der Sechstklässler spielen ein Instrument. Gitarristen sind dabei, Keyboarder, und sogar eine Akkordeon–Spielerin. Und viele der Schüler machen Kampfsport: Dominik macht Jiu Jitsu, Lena erzählt, dass sie Karate kann. Auch damit liegen die Schüler auf Tawils Wellenlänge: „Ich habe früher Taekwondo gemacht“, berichtet der 31-Jährige. Der Sohn arabischer Einwanderer ist in Berlin-Spandau aufgewachsen. Wenn er von „früher“ redet, muss das in den Augen der Sechstklässler schon ziemlich lange her sein. Gruppen wie die Backstreet Boys kennt hier niemand mehr. „Ich habe mich als Schüler über solche Softies lustig gemacht“, erzählt Tawil, „und dann bin ich selbst einer geworden.“

Der Musiker legt eine CD der Band „The Boyz“ ein, mit der er Ende der 90er Jahre erfolgreich war. Zu hellen Knabenstimmen hört man ihn rappen. Tawil muss ein Lachen unterdrücken. „Mein Idol war ja eigentlich Michael Jackson.“ Dazu gibt er ein Poster der „Boyz“ aus der Bravo herum. Auf der Rückseite ist Aron Carter abgebildet – auch den kennt heute niemand mehr. Immerhin: Die Bravo ist allen ein Begriff, auch heutigen Sechstklässlern.

Plötzlich war es vorbei mit den „Boyz“: Neue Gesichter mussten in die Magazine. „Ich war auf einmal ganz alleine. Meinen Schulabschluss hatte ich nicht gemacht und wusste nicht, wie es weiter geht“, erzählt Tawil und redet den Kindern ins Gewissen: „Macht bloß die Schule zu Ende.“ Für ihn ist alles noch mal gut gegangen: Er eröffnete sein eigenes Tonstudio und traf irgendwann auf Annette Humpe. Mit der 80er-Jahre Popikone und heutigen Produzentin gründete er „Ich+Ich“.

Tawil will den Schülern klar machen, dass auch das Leben als Star zwei Seiten hat. Vor- und Nachteile werden aufgezählt:. „Man hat viel Geld“, vermutet ein Schüler. „Man reist in viele Länder“, so ein anderer. „Und man kann Schuhe tragen, die wie Raumschiffe aussehen“, witzelt Gitarrist Jan und zeigt auf Tawils Füße. Manchmal ist es aber auch schwer : „Sie haben bestimmt wenig Zeit“, sagt Pepe. „Es besteht die Gefahr, dass man ausgenutzt wird“, setzt Dominik hinzu. „Und man kann nirgends mehr hingehen, ohne dass die Mädchen kreischen“, glaubt Jonas.

„Musiker ist ein Beruf wie jeder andere“, ist die Botschaft. „Probiert aus, ob ihr ein Instrument spielen möchtet“, rät der Sänger. Aber selbst wenn es nichts wird mit der Musiker-Karriere sei das nicht schlimm. „Hauptsache, ihr habt Spaß an dem, was ihr macht.“ Auch der Lehrerberuf hat schöne Seiten, wie „Ich+Ich“ feststellen. Gemeinsam mit den Kindern stimmen sie noch einen Kanon an. „He ho, spann’ den Wagen an“ – auch so ein Lied, dass die Jahre überdauert hat.

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