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Potsdam-Mittelmark: Malzige Erinnerung

Seit Januar hat die Biomalz-Fabrik Teltow zehn Tonnen Malzbonbons produziert – eine Tradition kehrt zurück

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Seit Januar hat die Biomalz-Fabrik Teltow zehn Tonnen Malzbonbons produziert – eine Tradition kehrt zurück Von Peter Könnicke Teltow - Heinz-Florian Oertel hat ja schon so manches ausgeplaudert. Der wohl bekannteste Sportmoderator der DDR war es, der einem Teilnehmer der Wüstenralley Paris - Dakar den Tipp gab, sich unterwegs mit Biomalz zu stärken. Das Extrakt hatte schon Kugelstoßlegende Udo Beyer gestärkt, noch heute schwört der Olympiasieger auf das Aufbau- und Kräftigungskonzentrat aus der Teltower Biomalzfabrik. Biomalz galt als der schnellste Energiespender des Ostens. Die Anfrage des Ralleyfahrers war die Wiederauferstehung der Tinktur. Seit drei Jahren ist der braune, Kraft spendende Sirup, der aus Gerste gewonnen wird und einst eine ganze Nation groß machte, wieder zu haben. Nun ist Biomalz-Geschäftsführer Hartwig Stiemer dabei, Geschmacksnerven aus Kindheitstagen zu reaktivieren. Seit Januar lässt er wieder Malzbonbons produzieren, was dem Volk quer durch die neuen Länder süße Erinnerungen beschert. Was auf der diesjährigen Grünen Woche als Versuch gedacht war, den Namen „Biomalz“ wieder ins Gespräch zu bringen, wurde zum Messe-Schlager. „Das war der Hammer“, ist Stiemer noch immer platt. Um die Malzbonbons in die Verkaufsregale zu bringen, hatte sich der Biomalz-Chef unterm Funkturm mit Vertretern zweier Handelsketten verabredet. Daraus wurde nichts. Noch am Messestand meldete ein Mann sein Interesse am Vertrieb der Malzbonbons an. Kein Experte auf dem Gebiet, sondern ein arbeitsloser Bäckermeister. Nach einer Woche Bedenkzeit stellte Stiemer den Mann ein. Heute, sechs Monate später, beliefert Biomalz 600 Kunden mit Malzbonbons. In Apotheken, Drogerien und Reformhäusern sind sie ostalgische Ergänzung in der Pallette der Hustenbonbons. Da hat sie – freudig überrascht – auch Potsdams Bundestagsabgeordnete Andrea Wicklein entdeckt, was sie prompt zu einer Dienstreise in die Teltower Iserstraße animierte. Dort erfuhr sie gestern, dass seit Januar knapp zehn Tonnen Malzbonbons produziert wurden. Allerdings nicht an traditioneller Stätte in Teltow, wo die Gebrüder Patermann 1907 die Biomalz-Fabrik gründeten. Nicht alle Maschinen haben nach dem Ende des volkseigenen Betriebes „Walter Schütz“ den Übergang in eine GmbH überlebt, weshalb heute die Malzbonbons auf fremden Terrain hergestellt und in Teltow lediglich verpackt werden. Ein Dauerzustand soll dies nicht sein. „Ich möchte dahin kommen, dass wir hier in Teltow wieder alles selbst machen“, visioniert Stiemer. Noch rechtfertige der erreichte Produkionsumfang nicht die erforderliche Investition einer dreiviertel Million Euro. „Euphorie macht noch keinen Erfolg“, weiß Stiemer, dass noch viele Teltower Malzbonbons gelutscht werden müssen. Der gelernte Lebensmitteltechnologe kam vor zehn Jahren aus Mecklenburg-Vorpommern nach Teltow. Die Wende ging an der traditionsreichen Biomalz-Fabrik nicht spurlos vorrüber: Absatzmärkte brachen weg, Produktionen wurden stillgelegt. Heute verlassen jährlich 2000 Tonnen Backmischung das Fabrikgelände, bundesweit wird in 4000 Bäckereien mit Teltower Mehl gebacken. Die wertvollen Nährstoffe der Gerste, die beim Mälzen gelöst werden, finden sich im Biomalz-Müslimix, Eiscremepulver oder Pizzamehl. Eines der ersten Produkte, mit dem sich das Unternehmen ins Gespräch brachte, war 1990 das „Hansa-Rostock-Fan-Brot". Das Mehrkornmischbrot ging in drei Jahren sechs Millionen Mal über den Ladentisch. Seit vier Jahren gibt es zur Unterstützung der Potsdamer Fußballerinnen das „Turbine-Fanbrot“. „Ich will über gute Produkte Biomalz am Markt platzieren“, sagt Stiemer. Dazu könnten demnächst alte Bonbons mit neuen Zutaten gehören: Malzbonbons mit Spirulina oder Aloe Vera würden den Trend bedienen, sich mit natürlichen Heilmitteln zu stärken. Zunächst kommt am 3. September ein ganzes neues Brot in die Verkaufstheken. Eine Banderole mit Olympiasiegern aus Athen wird den Brotlaib zieren. Präsentiert werden die sportlichen Schnitten im Berliner Opernpalais anlässlich der Premiere des neuen Olympiabuches. Der Autor: Heinz-Florian Oertel.

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