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Potsdam-Mittelmark: Man kam sich näher

Eine Teltower Delegation besuchte die Partnerstadt Gonfreville und brachte Ideen zur Zusammenarbeit mit

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Eine Teltower Delegation besuchte die Partnerstadt Gonfreville und brachte Ideen zur Zusammenarbeit mit Von Kirsten Graulich Teltow/Gonfreville l''Orcher – Reisende suchen zumeist das Fremde, das was anders ist als bei ihnen zu Hause und wenn sie Glück haben, entdecken sie auch Gemeinsamkeiten. So gesehen war die Reise höchst erfolgreich, die eine Teltower Delegation jüngst in die französische Partnerstadt Gonfreville führte. Bürgermeister Thomas Schmidt hielt mit diesem Besuch auch sein Versprechen, Leute auf wirtschaftlicher Ebene zusammenzubringen. Er und Teltows Wirtschaftsförderer Peter Rönnebeck begleiteten deshalb die Abordnung, zu der Vertreter des Ausbildungsverbundes Teltow (AVT) und der Diakonischen Werkstätten gehörten. Über Holland und Belgien ging die Fahrt in das rund 1200 Kilometer entfernte Gonfreville l''Orcher, das unmittelbar an die Hafenstadt Le Havre angrenzt. Cidre, Calvados und Camembert fällt Deutschen oft zuerst ein, wenn sie von der Normandie hören. Als „Garten gleich hinter Paris“ bezeichnen Franzosen liebevoll das sanft hügelige Land hinter der Atlantikküste, Reisende überrascht vor allem das milde Klima, das auch vom nahen Ärmelkanal beeinflusst wird. Waren kurz vor der Abfahrt die Temperaturen noch unter Null, zeigte das Thermometer nach zwölf Fahrtstunden bereits 13 Grad an. Die stiegen am Tage auf milde 16 Grad und auch die Palmen vor dem Rathaus können dank des milden Klimas im Winter draußen bleiben, wie Bürgermeister Paul Lecoq den erstaunten Besuchern bestätigte. Schneeflocken sind selten in der Region, nur aller acht Jahre erleben Kinder die weiße Pracht, die meist nach wenigen Stunden schmilzt. Umso mehr stimmen zahlreiche Lichterketten und farbige Kugeln, so groß wie Bälle, an Laternen und Baumalleen in den Straßen von Gonfreville auf das bevorstehende Weihnachtsfest ein. Vorwiegend mehrgeschossige Wohnhäuser prägen das Stadtzentrum, das auf einem Hügel liegt. Da hinauf schwingen sich kurvenreiche Straßen, gesäumt von Siedlungshäusern. Etwa 10 000 Einwohner leben hier, die meisten im Stadtteil unterhalb der Felsen, auf dem sich ein riesiges Industriegelände bis zum Hafenkanal ausbreitet. Aus seinem Arbeitszimmer schaut Paul Lecoq direkt ins Tal auf eine gigantische Fabriklandschaft mit verschlungenen Rohrsystemen, dazwischen Feuer speiende Türme der Erdölraffinerien, über denen weiße Rauchschwaden hängen. Diese Geldquelle muss Gonfreville nun seit der Gebietsreform mit den Nachbarorten teilen. Trotz vieler Abstriche bemüht sich die Kommune, soziale Leistungen aufrecht zu erhalten. So ergaben sich in den Gesprächen alsbald Berührungspunkte. Ein bisschen neidisch registrierten die Teltower Gäste, dass der Besuch von Kindergärten kostenlos ist, da sie in Frankreich zum Bildungsbereich zählen. Komplimente gab es dagegen von französischer Seite für die gut ausgestatteten Teltower Lehreinrichtungen AVT und Diakonische Werkstätten, wovon sich bereits im Sommer eine Delegation überzeugen konnte. Erstaunt stellten die Gäste bezüglich französischer Bildungsstrukturen fest: „Das ist wie bei uns.“ Auch der demografische Wandel verläuft in Frankreich ähnlich, wenn auch gebremst. „Es gibt nicht genug junge Leute“, berichtete Annie Bozec-Lecoq, die das Ausbildungszentrum Formation Démocratie Normandie in Le Havre leitet. Trotzdem gibt es 11 Prozent Arbeitslose, vor allem jüngere. Die können hier Schulabschlüsse nachholen und sich für Berufe in der Druckindustrie, Informatik oder kaufmännische Bereiche qualifizieren. Vorrangiges Ziel: bedarfsorientierte Ausbildung. Klar war beim Abschlussgespräch, dass Azubis aus dem AVT demnächst nach Frankreich reisen werden, einige um in normannischen Küchen zu lernen. Umgekehrt können junge Franzosen bald in Teltower Firmen ein Praktikum absolvieren. Vor Ideen sprudelte auch Joachim Kettner, Werkstattleiter im Diako. Drei Projekte schweben ihm vor, auch Termine stimmte er bereits ab mit seinem Kollegen Yves Madéry vom „Zentrum für Hilfe durch Arbeit“. Zur Messe 2005 in Offenbach wollen beide Einrichtungen an einem Stand auftreten. Auch E-Mail-Adressen tauschten die neuen Partner und sprachen persönliche Einladungen aus. Mit der Sprache der Partner wollen sich aber alle künftig noch mehr beschäftigen, weil das, so meinten sie übereinstimmend, noch die größte Barriere ist.

Kirsten Graulich

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