KulTOUR: Ausstellung in Schinkelkirche Petzow: Märchenhaft nah
Die Berliner Malerin Antje Zweiniger stellt in der Schinkelkirche in Petzow aus.
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Werder (Havel) - Die Welt ist nicht so, wie sie erscheint, sie hat sehr viele Gesichter. Und sie versteht es mit Verve, die Sinne zu täuschen. So lehrt es die ewige Weisheit, das lehrt auch die hohe „Schule des Sehens“, die Malerei. Gäbe es sonst von einem Motiv unendlich viele, so viel unterschiedliche Bilder? Auch für die Berliner Malerin Antje Zweiniger scheinen die Motive der Welt eher Bild als nur Abbild zu sein. Sie ist fest davon überzeugt, dass die Malerei mehr leisten kann als eine Fotografie, wenn es um die Tiefe von Idee und Empfindung beim Schauen geht. Das ist ganz im Sinne der Alten gesprochen. Zweinigers Bilder sind derzeit in der Schinkelkirche in Petzow zu sehen.
Ihre Motive findet die überzeugte Pleinair-Malerin überall und irgendwo zwischen Bretagne und Ostsee, oder gleich um die Ecke. Bevor sie aber beginnt, passiert erst einmal gar nichts. Sie lässt das Licht, die Stille, die Farben, die Werke des Windes zuerst auf sich wirken. Geräusche, die Stimmung der Situation. So lange, bis sie jenen Moment erspürt, der den Sinn eines Bildes bestimmt. Da ist sie wieder, die alte Schule der „Freilichtmalerei“, das Erfühlen von Landschaft oder Motiv. Die Faszination des Augenblicks. Ihm nie erlegen zu sein, verpfändete sich Goethes „Faust“, Schiller aber nannte ihn „den Mächtigsten von allen Herrschern“. Gute Gesellschaft für Antje Zweiniger.
Dieser eine Moment des inneren Schauens hat auch ihrer Ausstellung in Petzow den Namen geliehen. Oder verliehen? Kuriosum am Rande: Die 22-zählige Bilderschau gibt es dort bereits seit dem 25. März, die Vernissage aber findet erst am kommenden Samstag statt; zeitgleiche Auslandsverpflichtungen wollten es so.
Die mal- und lebenserfahrene Autodidaktin ist eine Pleinair-Malerin par excellence, jedoch keine Landschaftsmalerin im eigentlichen Sinn. Ihr geht es nicht ums motivische Wiedererkennen, nicht wo nun jenes Chateau steht oder welche Meerküste eben dies sei, sondern um Stimmungen. Sie malt also auf die Rezeption hin, auf die Wirkung ihrer Werke, was sie beim Betrachter auslösen mögen. Das Bild als „Wirkung“ gedacht und gemacht.
Das geschieht stets draußen, und explizit mit Acrylfarben: Weil Acryl schnell trocknet und man damit tolle Effekte erreicht, lasierend, gespachtelt, pastellen. Ein paar Stündchen „dauert“ ein Bild dann schon, ein langer, dankbarer Augenblick open air. Indes: Der „Mächtigste von allen“ dankt es mit wunderbaren, poetischen Bildern, wie vom Dritten Auge gemalt. Preisgebend, was hervorgebracht werden soll, verbergend, was auch ein sehendes Auge nicht fasst. Lebendig, wunderbar. Nahe.
Diese Werke haben Rhythmus, sie haben Gefühl, Dynamik und Stille, bewegende Stimmung, man schaut sich nicht satt an dem, was man sieht, und fühlt und ahnt zugleich die Unsichtbarkeit „des anderen“, denn in jedem Nu steckt ein gut Dutzend weiterer. Gemalte Poesie der ganz erlesenen Art. Atem. Leben. Da stehen diese Häuser oder Chateaus irgendwo in der Landschaft, fern eine bewegte Allee, und alles ist voller Kraft und irgendwie von Bedeutung. Wahr, und doch so fern der gemeinen Erfahrung.
Zum Beispiel dieses graustürmische Haus im Morgenlicht. Oder die rote Düsternis in „Sturmland“. Oder die Bäumeschatten beim „Frühlingserwachen“. Alles ist mit Ausdruck auf „Wirkung“ gemalt, wie es die Künstlerin wollte. Innerlichkeit. Gefühl. Wirklich und unwirklich zugleich. Täuschung und Realität. Märchenhaft wahr und bezaubernd. Und was machen bezaubernde Bilder? Sie können – verzaubern, wie eben geschehen! Gerold Paul
Vernissage am Samstag, 8. April, um 15 Uhr in der Schinkelkirche Petzow. Geöffnet samstags und sonntags von 11 bis 18 Uhr
Gerold Paul
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