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Von Gerold Paul: Märchenhafte Chiffren des Nordens

Jens Steinbergs Dampfer im Fährhaus

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Schwielowsee - Galeristen kennen das ja: Von vorherigen Ausstellungen bleibt meist etwas übrig. So zeigt Norman Müller in seiner „Remise“ am Fährhaus Caputh mit der aktuellen Präsentation von Jens Steinberg auch noch einmal, wovon er sich so recht nicht trennen konnte: Vorm Eingang wird man von einer pastellenen Dame begrüßt, Königin in einem freischwebenden Kürbisreich. Havelländische Bruchlandschaft daneben, ein Steg mit zwei wolfsartigen Hunden, und jener thronhafte Stuhl, der auch auf einem weiteren Bild die Andacht der Natur zu stören scheint: Die Malerin Monika Sieveking schwört, sie hätte ihn vor Ort tatsächlich gefunden. Linkerhand drinnen hängen auf unverputztem Gemäuer noch einige Bilder aus der letzten Ausstellung von Carl Timner, die schönsten, wie Norman Müller findet.

Ganz eigentümlich nun addieren sich die Werke des Berliner Malers Jens Steinberg zu diesen Resten. Legt der Berliner Timner realistische Maßstäbe an seine Kunst, so scheint Steinberg dieser Stil piepegal zu sein. Was er in Öl oder Acryl auf die Leinwand bringt, entstammt viel eher einer märchenhaften Kulisse aus märchenhafter Zeit. Es sind Chiffren zu ganz anderen Bildern, die man erst suchen und finden soll. Wer malt schon eine 45-er Serie von Dampfschiffen, wenn er nicht wegfahren, wer „den“ Fjord, wenn er nicht ankommen will! Die Zahl seiner Motive (in größeren Formaten) hält sich in Grenzen, man findet Dampfer, Park, Reiter, Hahn, jeweils in der Einzahl, was ja auf Verallgemeinerung zielt.

Die Arbeitsweise des 1966 in Berlin geborenen und dort auch aufgewachsenen Malers beschreibt der Katalog so: Klang – Farbe – Form – Geschichte, in dieser Reihenfolge „erscheinen“ ihm seine Bilder, alle absichtsvoll mit breitem Pinsel und kraftvollem Schwung gemalt. Der Klang (wie ihn seine erdichteten Poetismen im Katalog nachahmen) also zuerst.

Klang des weißen Pferdes im Park, darauf ein König sitzt, meist ohne Gesicht, eine barocke Erscheinung. Der Ton seines Lachens, das Geräusch des Vogels, der ihm ministerhaft zur Seite fliegt. Der Klang vom Tuten des Dampfers, dessen Technik ein Märchen verzaubert, denn was Steinberg da malt, könnte nie schwimmen. Ornamente, üppige Farben haben ihn schönfein verziert, Blumen ihn überwachsen. Das aktivste sind stets die Feuer speienden Schlote. Feuer treibt also den Kahn, nicht Dampf! Die Himmel dahinter sind schön.

Der Großstädter Jens Steinberg hatte einen Großvater, der war Fischer auf Hiddensee. Steinberg, von klein auf malend, sucht die idyllischen Stillen des Sommers im Norden, Uckermark oder Rügen bevorzugt. Seine Malerei hat die Helligkeit des Paradieses, die Farbigkeit kindlicher Gemüter, den leichten, kindlich-naiven Ton und Pinselstrich. Hier malt und denkt ein Kind in Verwandlung als Mann, ohne Rücksicht auf einen Publikumsgeschmack, was es dem Galeristen gleichen Jahrgangs nicht gerade leicht macht, etwas von ihm zu verkaufen.

Aber Norman Müller sagt, es sei jetzt ja Sommer, da gehöre viel Farbe in seine Remise, er stellt eh nur aus, was ihm selber gefällt. Die Ziege mit einer Kindfrau am Leib neben den Steinbergschen Parks stammt nun wieder von Monika Sieveking, so kommen die Dinge zusammen. Der gesichtslose König lacht, dass man’s laut hört am Klang: „Dich erwartet noch alles, kannst überall hin!“ Dergestalt ist die Macht dieser Bilder.

Bis 30.8., Sa 13-22 Uhr, So 13-19 Uhr

Gerold Paul

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