Potsdam-Mittelmark: Märkische Landschaften auf Schienen
FH Lausitz entwickelte steuerbare Staffelei für Mundmaler Thomas Kahlau
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Schwielowsee - Für Maler Thomas Kahlau ist es eine kleine Sensation: Er hält den Pinsel über eine Tafel mit Sensoren, surrend setzt ein Motor ein und verschiebt die Kulisse vor ihm auf Schienen in die gewünschte Position. „Im Garten bei Oswalds“ heißt das Ölbild, welches bereits vor drei Jahren gemalt, aber zum Vorführen noch einmal aufgelegt wurde. Kahlau muss den Pinsel mit dem Mund führen, denn er ist querschnittsgelähmt. Bislang musste immer jemand die Leinwand verschieben, damit der Maler an allen Ecken arbeiten konnte, zum Teil habe er die Bilder auch verkehrt herum gemalt.
Ein dreiköpfiges Team der Fachhochschule (FH) Lausitz hat dem jetzt Abhilfe geschaffen und eine automatische Staffelei entwickelt. Kürzlich wurde die Erfindung durch die FH-Präsidentin Brigitte Klotz und Bürgermeisterin Kerstin Hoppe an den Künstler übergeben.
Kahlaus Atelier befindet sich im Obergeschoss des Elternwohnsitzes im Schmerberger Weg: Ein Licht durchfluteter Raum. Unzählige Bilder auf dem Boden und an den Wänden zeugen von der scheinbar grenzenlosen Schaffenskraft des Künstlers-Stillleben: Landschaftsbilder, Portraits. Kahlau malt mit Öl-, Acryl- oder Aquarellfarben, viele Motive zeigen märkische Kleinstadt- und Naturkulissen. Zurzeit malt er den Hafen von Chania auf Kreta, eine Auftragsarbeit und gleichzeitig eine Erinnerung an den jüngsten Urlaub. Im Rahmen der gerade zu Ende gegangenen Werksschau der „Havelländischen Malerkolonie" hat auch Kahlau seine Arbeiten präsentiert, im nächsten Jahr hat er eine Ausstellung in Wien.
Bei einem Badeunfall vor 30 Jahren hatte sich der damals 14-Jährige die Halswirbel gebrochen, seitdem kann er Beine und Arme nicht mehr bewegen. Zwar hatte er bereits zwei Jahre später mit dem Malen angefangen, absolvierte auch eine Ausbildung als Japanisch-Übersetzer, dennoch war für ihn eine zehnjährige „Eiszeit“ angebrochen: Körperlich und geistig sei er unbeweglich gewesen, schrieb er in einem Rückblick 1995. 1986 erhielt Kahlau ein Stipendium bei der Vereinigung der Mund- und Fußmalenden Künstler in aller Welt (VDMFK), eine Selbsthilfeorganisation, die zirka 700 Maler in 50 Ländern unterstützt.
Eines der Ziele: Die Voreingenommenheit gegenüber mund- oder fußgemalter Kunst abbauen. „So könnte ich nicht einmal mit der Hand malen – und sie machen das mit dem Mund?“ - Einer der Sätze, die Kahlau immer wieder hört. „Wenn ein Betrachter nicht mehr objektiv kritikfähig ist, kann ich nur noch durch Qualität überzeugen“, sagt der Maler. Er wolle aber auch nicht anonym bleiben, um Objektivität zu erreichen, sondern im Gegenteil durch Präsenz einen Gewöhnungseffekt erreichen. Denn letztlich „gibt es nur gute oder schlechte Kunst.“
Seit 1995 ist der gebürtige Potsdamer Mitglied beim VDMFK, das gebe ihm Sicherheit: Für ein geregeltes Einkommen erwirbt der Verband die Rechte an seinen Bildern, reproduziert sie unter anderem für Karten und Kalender. Die Mitgliedschaft führte den Künstler darüber hinaus zu Kongressen nach Wien, Sydney, Lissabon und Shanghai. Im Jahr 2000 wurde ihm das Verdienstkreuz am Bande des Verdienstordens durch Bundespräsident Johannes Rau verliehen.
Vor anderthalb Jahren hatte der Künstler schon einmal eine Ausstellung an der FH Lausitz, damals entstand auch die Idee, eine steuerbare Staffelei zu entwickeln. Diplom-Ingenieur Ingo Karras nahm sich des Projektes zusammen mit dem Jugend-Forscht-Zentrum Lauchhammer, einer Maschinen-Bau-Professorin und einem Studenten an. Als Vorbild dienten mechanische Staffeleien, die Kahlaus Vater bereits vor Jahren konstruiert hatte. Karras ist einer der Leiter des Studienzentrums für barrierefreie Lehre und Forschung an der FH. Neben solchen praktischen Arbeiten werden hier auch Studiengänge für Menschen mit Behinderung angeboten.
Inwieweit die Entwicklung in Serie hergestellt werden kann, werde sich nicht zuletzt durch die Nachfrage zeigen, so Karras. Die Produktion müsse ein Betrieb übernehmen. Ein Schutzantrag liege dem Patentamt bereits vor. Maler Thomas Kahlau wertete die Staffelei als sehr nützlich. Er werde jetzt noch größere Bilder ohne die Hilfe eines Assistenten malen können - unter anderem für eine weitere Ausstellung an der FH im November und wohl auch für die Havelländische Malerkolonie im nächsten Jahr.
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