Potsdam-Mittelmark: Mauerpfeffer am Grenzstreifen
Der Förderverein Buschgraben hat alle Pflanzen gelistet, die in zehn Jahren an der einstigen Mauer gewachsen sind – reichlich Arbeit
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Der Förderverein Buschgraben hat alle Pflanzen gelistet, die in zehn Jahren an der einstigen Mauer gewachsen sind – reichlich Arbeit Kleinmachnow. Naturschützer sind eine besondere Spezies. In ihrem Bemühen, Umweltfrevel zu verhindern oder auf Missstände aufmerksam zu machen, entwickeln sie mitunter reichlich Fantasie und Kreativität. Riesige Gen-Tomaten, Baumkletterer oder an Bahngleise gekettete Umweltrebellen sind nur einige Ausdrucksformen von Protest und Appell. Achim Förster, Naturschützer aus Zehlendorf und Mitglied im Förderverein „Buschgraben/Bäketal“ ficht seinen Kampf für den Erhalt der Natur gern mit der Klinge der Ironie. In Kleinmachnow zeigte Förster Jüngst in einer Dia-Show, dass die Buschgrabenniederung – ursprünglich eine eiszeitliche Schmelzwasserrinne – auf Zehlendorfer Seite „nicht sehr hübsch“ ist. Er könne daher keinem Förderer der Buschgraben-Landschaft verübeln, wenn dieser sich angesichts der „gestörten Idylle“ frage, weshalb er überhaupt Mitglied in dem Förderverein ist. Eine „wilde Bebauung“ illustrierten Försters Bilder: Laubenpieperkolonien, Wohnhäuser und Sportplätze bevölkerten die sumpfige und teilweise bewaldete Niederung. Selbst Industrie zog in die Natur. Mit Messgeräten für Wasserreinhaltung wirbt ein Unternehmen unweit des Buschgrabens. „Die hätten ihr bestes Forschungsprojekt direkt vor der Tür“, vergräbt Förster sein Missfallen in Sarkasmus. Auch der Wertstoffhof eines Berliner Abfallunternehmens wurde, so Försters Mutmaßung, nur deshalb im Buschgrabengebiet platziert, „damit man seinen Müll nicht mehr in die Natur kippen muss“. Es gibt Teile der Niederung, für die sich Förster „vorstellen kann, dass auch mal Büsche wachsen, wenn wir sie pflanzen“. Doch ist so viel Pessimismus gar nicht angebracht. Je weiter man dem ursprünglichen, etwa drei Kilometer langen Lauf des Grabens von der Potsdamer Chaussee in Zehlendorf in Richtung Kleinmachnow folgt, desto reichhaltiger offenbart sich der Naturbestand. Förster weiß das selbst am besten. Zusammen mit dem Kleinmachnower Vorstandschef der Buschgraben-Förderer, Gerhard Casperson, hat er eine detaillierte Dokumentation über alle Pflanzen zusammengestellt, die sich im vergangenen Jahrzehnt auf dem ehemaligen Grenzstreifen haben. In rasantem Tempo hat sich die Flora im einstigen, glatt planierten Niemandsland ihren Lebensraum zurück erobert. Sechs Pflanzenarten wurden 1990 im Grenzgebiet gezählt; darunter wie ein natürliches Zeitdokument der „Scharfe Mauerpfeffer“. Schon ein Jahr später wurden zwölf verschiedene Pflanzen registriert. Heute zählt die von Casperson und Förster angefertigte Kartei weit über 100 Namen. Wo einst Ödnis war, finden sich Gewächse wie die Kleinblütige Königskerze, der Knick-Fuchsschwanz oder die Lorbeer-Weide. „Wir freuen uns über jede Pflanze, die sich hier wild angesiedelt hat“, sagt Casperson. In der gerafften Abfolge seiner Dia-Aufnahmen kann man im südlichen Teil des Buschgrabens am Erlenweg förmlich das Gras wachsen sehen. Von 1961 bis 1989 durfte das Gebiet nicht betreten werden. Nach der Wende beeilte sich der Förderverein, eine Schichtholzhecke anzulegen, um den Freiraum vor einer Nutzung als Park- oder Lagerplatz oder gar vor einer Bebauung zu schützen. Als Pionierart begann das Silbergras zu wachsen, das westlich der Elbe kaum noch anzutreffen ist. Aus der Buschgraben-Niederung auf Kleinmachnower Seite, so das Resümé der beiden Pflanzen-Kundler, habe sich ein bevorzugtes Naherholungsgebiet entwickelt, das es zu schützen und zu pflegen gilt. Es sei zudem ein schönes Beispiel, so Achim Förster mit spitzer Zunge, dass im Osten „mehr Ordnung herrscht als im Westen“. P. Könnicke
P. Könnicke
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