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Alte Technik: Zum Fest wieder auf Vordermann gebracht.

© KiG

Potsdam-Mittelmark: Mehrere Jahrhunderte in bunten Bildern

Zum 725. Jubiläum erinnerten die Langerwischer an alte Traditionen und prominente Einwohner

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Michendorf - Stühle und Tische hatten die Langerwischer am Samstag vor ihren Häusern platziert, um ja nicht den Festumzug zum 725.Ortsjubiläum zu verpassen. Der zog ab 11 Uhr mit viel Musik durch die Straße des Friedens bis zum Festplatz an der Mühlenruine. Vorneweg die Cheerleader, gefolgt von Blasorchestern, einer Parade mit historischen Feuerwehrfahrzeugen, Oldtimern, Traktoren und Kutschen. Zahlreiche Vereine aus der Region beteiligten sich daran.

Mit fantasievollen Kostümen sorgte der Wildenbrucher Fastnachtsklub für Furore. Für Vereinsmitglied Manfred Bellin war die Teilnahme Ehrensache: „Denn wir sind Nachbarn, uns trennt eigentlich nur die Autobahn“. Und so ertrug das Wappentier des Vereins, ein Bär im braunen Fellkostüm, die sommerliche Glut geradezu heldenhaft und ließ seinen Pelz erst auf dem Festplatz fallen. Behelmte Landsknechte, Bauern in Sackleinenkleidern, Herren in Samt und feinem Zwirn und Damen in spitzengeschmückten Gewändern ließen die Jahrhunderte an den Schaulustigen vorüberziehen. Die prosteten den Umzugsteilnehmern zu, spendeten Getränke gegen den Durst und präsentierten auch eigene Ideen zum Dorffest. So hatten Rita und Achim Tonn eine mobile Schmiedewerkstatt vor ihrem Haus aufgebaut. „Es gab hier früher mal zwei Dorfschmieden“, berichtete Achim Tonn, der das traditionsreiche Handwerk als Hobby betreibt. Während er im Leinenhemd am Amboss stand, war seine Frau im Wollzwirn und mit Holzpantinen in die Rolle eines „echten Kiekeweibes“ geschlüpft. Denn in früheren Zeiten habe sich das Dorfleben meist auf der Straße abgespielt und das bot seinerzeit viel Gelegenheit, um zu kieken, was bei den Nachbarn so läuft.

Das heute zur Gemeinde Michendorf gehörende Langerwisch sei aber ganz bestimmt älter als die erste urkundliche Erwähnung von 1285 beweist, meint Rita Tonn. Als „novi Langerwisch“ wurde das Dorf damals in einer Schenkung an das Domkapitel zu Brandenburg erwähnt, beurkundet durch die Markgrafen von Brandenburg, Otto der Ältere und Otto der Jüngere. Zwei Jahre später wurde der Ort in einem Dokument vom 23. Juni 1287 genannt, aus dem hervorgeht, dass die beiden Kirchen von Alt- und Neu-Langerwisch durch den Bischof von Brandenburg vereinigt wurden. An ein besonders gruseliges Kapitel erinnerte die Aufführung der „Kirchenmäuse“ am Samstagnachmittag im Festzelt. „Grinsen unterm Galgenberg“, so der Titel, basiert auf einer mittelalterlichen Sage, nach der der Hauptmann Kurth als ein Raubmörder in Ketten gehangen worden war und „lange ... sein von der Sonne gebleichtes Gebein .. ein Schrecken der Wanderer“ blieb. Die Idylle des Ortes beeinträchtigte die Anekdote keineswegs, immerhin ließ 1779 König Fiedrich II. im Ort ein Gutshaus errichten, das heutige Gasthaus „Altes Schloss“. Später zog der Ort auch Literaten wie Nelly Sachs an, die nach Langerwisch zur Sommerfrische kam, und der Dichter Peter Huchel verlebte seine Kindheit auf dem Hof der Großeltern. Von dieser Zeit, in der „das Laub der Linde“ mit ihm sprach, die „Nacht katzenäugig“ war und die „Grille unter der Schwelle schrie“, erzählt Huchel in seinem Gedicht „Damals“. Auch Filmemacher zog es in den Ort, in dem zum Beispiel 1968 einige Szenen des Defa-Films „Weiße Wölfe“ gedreht wurden. Später war der Saal des Gasthauses Kulisse für „Solo Sunny“.

Mit Tanz, Lesungen, Musik, Wettbewerben und Böllerschüssen feierten die Langerwischer auch noch am Sonntag nicht nur ihre Ortsgeschichte, sondern auch die Dorfgemeinschaft der Gegenwart.Kirsten Graulich

Kirsten Graulich

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