zum Hauptinhalt

Potsdam-Mittelmark: Meinungsfreiheit, Frust und Freude

Zerrissene Stimmung zur Eröffnung der Michendorfer Ortsumgehung

Stand:

Michendorf - Die Stimmung war bereits zerrissen, noch bevor gestern gegen 10.30 Uhr feierlich das Band für die neue Michendorfer Ortsumgehung durchschnitten wurde. Wie erwartet waren viele Gegner dieses 8,4 Millionen Euro teuren Straßenbauprojektes erschienen. Auf Plakaten artikulierten sie ihren Protest gegen „Naturzerstörung und Massenenteignung“ oder prangerten die Ortsumgehung als „Meyers letzte Rache“ an – in Erinnerungen an den ehemaligen brandenburgischen Verkehrsminister. Die Chefin der zuständigen Beelitzer Polizeiwache, Solveig Bohn, sah darin den „Tatbestand einer nicht angemeldeten Versammlung“ und ließ von ihren zahlreich präsenten Beamten die Personalien von zwölf Straßengegnern als Zeugen aufnehmen.

Allein die Staatsanwaltschaft habe nun über das weitere Verfahren zu entscheiden, kündigte die Wachenleiterin an. Gegen den unbekannten Veranstalter sei eine Strafanzeige gefertigt worden. Eine Zuspitzung, über die sich der brandenburgische Verkehrsminister Frank Szymanski (SPD) bei seinem Eintreffen alles andere als glücklich zeigte. Umsonst versicherte er der Polizei, sein Ministerium habe ausdrücklich sowohl Befürworter als auch Gegner der Ortsumgehung als Gäste zu dieser Straßeneinweihung eingeladen. Und die hätten das Recht, noch einmal ihre Positionen klarzustellen. Genauso sah es auch der Parlamentarische Staatssekretär im Bundesverkehrsministerium, Ulrich Kasparick: „Als ehemaliger DDR-Bürger weiß ich das Recht auf freie Meinungsäußerung sehr hoch zu schätzen“, versicherte er den Kritikern, die sich gestern weitgehend auf stummen Protest beschränkten.

Entsprechend ungestört konnte dann auch das schwarz-rot-goldene Band durchschnitten werden. Schwer hatte es Szymanski jedoch mit seinem Appell, dass „mit dem heutigen Tag das Streiten aufhören und die Versöhnung der Gemeinde in den Vordergrund gestellt werden sollte“. Zu tief scheinen noch die Verletzungen aus dem jahrzehntelangen Streit um die Ortsumgehung, zu unterschiedlich sind die Auffassungen über den Wert der neu geschaffenen, knapp 4,8 Kilometer langen Fahrbahn östlich von Michendorf. Den Vorwurf des bündnisgrünen Gemeindevertreters Andree Halpap, die Feier zur Straßeneröffnung sei „ein Affront gegen die betroffenen Anwohner“, wollte Szymanski nicht stehen lassen. „Hätten wir es still und heimlich getan, wäre der Vorwurf gekommen, wir wollten uns drücken“, so der Minister.

Es sei ihm bewusst, „dass dieses Projekt umstritten war, wie kaum ein anderes“. Dennoch sei Fakt, dass damit viele Michendorfer vom Durchgangsverkehr entlastet würden. Beim Lärmschutz für die Anwohner am neuen Streckenverlauf sei man „bis an die Grenze des rechtlich und finanziell Vertretbaren gegangen“. Alle noch ausstehenden Arbeiten sollen ebenso wie die Wiederherstellung der Waldwege rings um den Straßenneubau so schnell wie möglich abgeschlossen werden.

Der Michendorfer Ortsbürgermeister Hartmut Besch (FDP) bezeichnete die gestrige Straßeneinweihung als ein „echtes Weihnachtsgeschenk und erfolgreichen Abschluss eines jahrzehntelangen Ringens“. Beifall kam auch von den Vertretern der Bürgerinitiative „pro B2-Ortsumgehung Michendorf“ (Bummi). Nach fast 80 Jahren sei nun endliche eine Vision in Erfüllung gegangen, heißt es in einer Presseerklärung.

Andree Halpap und andere Gegner der Ortsumgehung sprachen indes gestern von einem „Tag der Trauer und einem deutlichen Zeichen für die verantwortungslose und bürgerfeindliche brandenburgische Verkehrspolitik“. Es setze dem Prozess nur noch die Krone auf, dass die neue B2 nun sogar zu einem Zeitpunkt für den Verkehr freigegeben werde, an dem noch nicht einmal alle Lärmschutzwälle wie versprochen fertiggestellt sind, erklärte Halpap.

Das Grundübel der neuen Straße bleibe, dass sie die Gemeinde zerschneidet, Wohn- und Erholungsgebiete verlärmt sowie kreuzende Fußgänger und Radfahrer gefährde. „Die neue Straße holt den Autobahnverkehr in die Region.“ Dies werde spätestens dann dramatisch wenn die B2 – wie geplant – über den Templiner See einen Anschluss an den westlichen Berliner Ring erhält, warnte Halpap.

Zur Startseite

showPaywall:
false
isSubscriber:
false
isPaid:
console.debug({ userId: "", verifiedBot: "false", botCategory: "" })