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Von Henry Klix: Meyers Wende

Wie ein Caputher seit zwei Jahren um sein Recht kämpft, eine Mauer zu errichten

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Schwielowsee - Manfred Meyer feiert dieser Tage sein ganz persönliches Mauerjubiläum: Vor zwei Jahren hat sein Streit um eine 1,50 Meter hohe Gartenmauer begonnen – mit einem Brief von der Bauaufsicht: Es war eine Beseitigungsanordnung für einen flachen Wall, der seinerzeit noch gar nicht fertig war. Die Mauer musste weg, Meyer weigerte sich. Und das tut der 75-jährige pensionierte Architekt bis heute. Die Rollen in diesem Streit scheinen gegenüber dem Jubiläumsereignis im Jahr ’89 vertauscht. Und lange wird der prall mit Briefwechseln gefüllte Leitz-Ordner nicht mehr ausreichen.

Der Caputher Mauerbauer ist es, der hier mit Widersprüchen, Dienstaufsichtsbeschwerden, Strafanzeigen und beim Bundesverfassungsgericht um seine bürgerlichen Rechte und seine Freiheit kämpft: Er will tun dürfen, was ihm von Grundgesetz und Bauordnung garantiert ist. Landratsamt, Staatsanwaltschaft und Gerichte stehen ihm, so Meyer, dabei im Wege. Mit seiner Ansicht, dass ein Behördenbescheid heutzutage nicht unbedingt mit geltendem Recht zu tun hat, fühlt er sich nicht allein. „Die anderen haben nur keine Zeit, sich zu wehren“, sagt er.

Jahrelang habe er mit seinem Potsdamer Architekturbüro mit sieben Angestellten alle Zumutungen hingenommen, brav an der Tür der Bauaufsicht gewartet, bis alle Privatgespräche abgeschlossen waren, sich für Nichtigkeiten gerechtfertigt und vorsichtig auf unerfreuliche Bescheide reagiert. „Erst das Ende meines Berufslebens erlaubt mir, diesem eingeschliffenen Arroganzgebaren zu trotzen.“

Manfred Meyer beharrt darauf, dass er eine Mauer errichtet hat, für die er keinen Antrag stellen muss. „Keiner Baugenehmigung“ bedürfen laut brandenburgischer Bauordnung „Pfeiler und Mauern mit nicht mehr als 1,50 Meter Höhe“. Die Bauaufsicht erklärt – nachdem Meyer von einem Nachbarn angezeigt wurde – seit zwei Jahren, dass die Mauer höher ist. Architekt Meyer hält einen Zollstock an das Bauwerk in seinem Garten in der Ringstraße: 1,50 Meter!

Das Hanggelände am Krähenberg, an dem Meyers Haus steht, ist durch Stützwände und architektonische Einschnitte gekennzeichnet. Hinter der Mauer hat Meyer schon 1965 einen offenen Autowaschplatz tief in den Hang gebaut, dessen rund ein Meter hohe Brüstung mit dem Geländeniveau abschließt und auch den Hang abstützt. Auf eine Seitenwand hat er die Gartenmauer aufgeziegelt – auch damit seine gehbehinderte Frau nicht hinabstürzt. Die Bauaufsicht addiert den Ziegelstein-Wall zur Umfassung des Waschplatzes dazu – Meyer nennt das „Willkür“. Den Zeitaufwand für seine wiederholten schriftlichen Darstellungen der Sachlage hat Meyer dem Landratsamt laut „Honorarleitlinie für Architekten“ in Rechnung gestellt: 383 Euro. Das Ganze ließe sich durch eine Gerichtsentscheidung klären, doch soweit will es Meyer nicht kommen lassen.

Mit 50 Jahren Berufserfahrung, einer langjährigen Tätigkeit als Bauausschussvorsitzender und Leiter der örtlichen Baukommission meint er zu wissen, was richtig ist. „Man kann mich nicht zwingen, Anwalts- und Gerichtskosten zu übernehmen, damit ich zu meinem Recht komme“, sagt er. In Karlsruhe beschwerte er sich, weil er sich „durch mehrere Akte öffentlicher Gewalt“ in seinen „Grundrechten verletzt“ fühlte. Als das Bundesverfassungsgericht die Beschwerde abwies, weil er sich nicht durch die Instanzen geklagt hatte, berief sich Meyer auf den vom Grundgesetz garantierten, umfassenden Rechtsschutz. „Es wird in diesem Artikel nicht angeführt, dass nur der finanziell abgesicherte Bürger diesen Rechtsschutz genießt.“

Im Landratsamt schlägt man beim Namen „Meyer“ die Hände über dem Kopf zusammen: Landratsamtssprecherin Andrea Metzler glaubt kaum, dass der Caputher am Ende Recht behält. „Wenn man bei der Unteren und Oberen Bauaufsicht, beim Amtsgericht und beim Staatsanwalt gescheitert ist, sollte man mal in sich gehen“, sagt sie. Der Ton, den der Caputher in Belzig angeschlagen hat, die bissigen Briefe bis zum Landrat und die Anzeigen wegen Nötigung kamen hier nicht gut an. „Unsere Mitarbeiter als dummdreist und inkompetent darzustellen, ist nicht mehr komisch“, so Metzler.

Nach zwei Jahren wird es für Meyer immer enger: Er spricht vom „amtlichen Bedrohungspotenzial“. Die fünftägige Erzwingungshaft, die er antreten sollte, weil er ein gerichtlich bestätigtes Bußgeld von 158,50 Euro nicht bezahlt hatte, wendete er mit einem ärztlichen Attest ab. Den Amtsrichter zeigte er an. Seine Frau Renate bot an, das Geld für ihn zu bezahlen. Doch Manfred Meyer will keine „erkaufte Ruhe“. Inzwischen gibt es einen Zwangsgeldbescheid über 2000 Euro, weil Meyer seine Mauer trotz Baustopps fertig baute. Er rechnet schon durch, wie lange er dafür in Haft müsste: 67 Tage. Den Widerspruch hat er auch schon abgeschickt. Manfred Meyer protestiert weiter – für seine Wende.

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