Potsdam-Mittelmark: „Mich hat der Ehrgeiz gepackt“
Stahnsdorfs CDU-Fraktionschef Claus-Peter Martensen über politische Langeweile, Populismus und eigene Ambitionen
Stand:
Stahnsdorfs CDU-Fraktionschef Claus-Peter Martensen über politische Langeweile, Populismus und eigene Ambitionen Herr Martensen, wie viel Spaß macht Ihnen die Kommunalpolitik nach anderthalb Jahren? Wenn ich ehrlich bin: Je länger ich dabei bin, desto mehr wächst nicht nur der Spaß, es hat mich auch der Ehrgeiz gepackt. Das gilt nicht nur für Stahnsdorf, sondern auch für den Kreis. In zwei Parlamenten zu arbeiten, erfordert auch Disziplin. Was stachelt Ihren Ehrgeiz an? Ich bin jetzt bald 54. Ich werde mit 60 pensioniert, wie das bei der Polizei üblich ist. Und ich will mich danach weiter politisch engagieren, um nicht nur Rasen zu mähen und Unkraut zu zupfen. Ich fühle mich jung und kann sicherlich bis 70 arbeiten. Ich brauche eine sinnvolle Aufgabe und das ist für mich die Kommunalpolitik. Nachdem ich neun Mal umgezogen bin, ist Stahnsdorf meine Endstation. Hier möchte ich mich für den Ort einsetzen. Dabei hat man derzeit eher den Eindruck, es sei langweilig in Stahnsdorf: Beschlussvorlagen kommen weitestgehend aus der Verwaltung, Politik im Ort macht allenthalben der CDU-Bürgermeister. Ist die CDU-Fraktion lediglich Erfüllungsgehilfin von Gerhard Enser? Dem muss ich widersprechen. Es ist nicht langweilig, auch wenn der Eindruck so sein mag im Gegensatz zu Kleinmachnow, wo man „Little Bundestag“ spielt. Die tagen bis Mitternacht, um sich irgendwie zu einigen, um dann wieder neu zu diskutieren. Bei uns wird im Vorfeld diskutiert und wenn es zur Gemeindevertretersitzung kommt, ist das Meinungsbild mehr oder weniger abgeschlossen. Da braucht man sich nicht mehr zu profilieren. Auch dem Eindruck des Erfüllungsgehilfen muss ich kategorisch widersprechen. Wir haben einen sehr guten Bürgermeister, auch die Vorlagen aus seinem Haus sind sehr gut und nachvollziehbar. Und wenn wir anderer Meinung sind, wird das im Vorfeld und in den Ausschüssen geklärt. Mit Aktionismus können wir leider nicht dienen. Zugegeben: Die klaren Stahnsdorfer Verhältnisse lassen wenig Spannung zu. Die CDU ist fast mehrheitsfähig, die SPD-Opposition erscheint schwach. Bleiben dabei politische Kreativität und Gestaltungskraft auf der Strecke? Nein, das sehe ich so nicht. Natürlich soll Kreativität einfließen. Wenn Vorschläge auch von den anderen Fraktionen nachvollziehbar und nicht reiner Populismus sind, werden diese aufgenommen. Vielleicht sieht es von außen unkreativ aus, wenn nicht alles gleich umgesetzt wird. Aber wir müssen ja auch erst einmal darüber nachdenken. Zum Beispiel meint die AG „Verkehrskonzepte“, ihre Ideen und Vorschläge müssten gleich umgesetzt werden. Wir meinen, es sollte erst bewertet werden und wenn sich einige Vorschläge als interessant erweisen, werden wir sie auch verfolgen. Oder Beispiel Dorfplatz: Seit Jahren reden wir über eine Neugestaltung. Aber es ist ein Riesenproblem, aus diesem schönen Platz etwas zu machen. Das können wir nicht alleine, sondern brauchen die Hilfe von Investoren. Da fehlen uns allen noch die Ideen, da sind wir alle in der Pflicht, uns zu engagieren. Es wird sehr gern die Bürgerkommune beschworen, und mit der Zukunftskonferenz gab es in Stahnsdorf ja auch sehr gute Impulse. Warum ist es nicht gelungen, das Feuer am Lodern zu halten? Vielmehr als die AG „Verkehrskonzepte“ ist aus der Zukunftskonferenz nicht erwachsen. Vielleicht sollte man da neue Impulse setzen. Es ist schade, dass es ein Strohfeuer geblieben ist. Woran liegt das? Ist Stahnsdorf doch bloß eine Schlafstadt? Das würde ich nicht sagen. Es gibt ja politisches Engagement, in Sportvereinen oder Bürgerinitiativen. Aber es sind immer dieselben. Das ist aber nicht nur in Stahnsdorf so. Es ist bundesweiter Trend, dass das Engagement der Bürger nachlässt. Dem muss man sich als Kommunalpolitiker auch stellen. Wenn es Projekte gibt, mit denen sich viele identifizieren können, gibt es auch wieder mehr Begeisterung. Identifizieren sich die Stahnsdorfer mit der Lindenhof-Schule? Auf der einen Seite ja, weil alle für ihren Erhalt sind. Auf der anderen Seite verstehe ich nicht, wieso viele Eltern ihre Kinder anderswo hinschicken und wir die 7. Klassen nicht vollkriegen. Es wird behauptet, wir müssten mehr Werbung machen. Nun: Die Schule macht Werbung, der Bürgermeister hat die Regionalkonferenz „Region macht Schule“ ins Leben gerufen, die im September weiter geführt wird. Schwierig ist, das Elternverhalten zu hinterfragen. Unser Glück oder Pech ist, wie man’s nimmt, dass wir in der Nähe etliche Angebote weiterführender Schulen haben. Lässt sich das politisch beeinflussen? Wenig, man kann dafür stehen und appellieren, die Lindenhof-Schule nicht sterben zu lassen. Aber das Elternwahlverhalten können wir nur begrenzt beeinflussen. Passt zum Charakter des Ortes ein Gymnasium besser als eine Gesamtschule? Hätten wir die Chance, ein eigenes Gymnasium zu bekommen, was ein Prestigefaktor wäre, dann stünden wir voll dahinter. Platz hätten wir. Aber es gibt noch keine Anträge, ein eigenes Gymnasium zu gründen. Es ist ja auch keine kommunale Angelegenheit, sondern die des Kreises und des Landes. Ein Gymnasium in Stahnsdorf wäre sehr positiv. Und wir haben immer klar gesagt, dass wir um ein eigenes Gymnasium gar nicht herumkommen, wenn sich die Schülerzahlen weiter so entwickeln und 60 bis 70 Prozent der Grundschüler aufs Gymnasium wechseln. Wie werden unter ihren Kollegen im Kreistag die Ansprüche und das Wachstum der Teltower Region wahrgenommen und anerkannt? Das wird anerkannt. Aber es wird mit Argusaugen auf uns geschaut, weil die Gefahr besteht, dass wir zu stark werden. Die politische Konstellation im Kreistag hat sich nun durch die Bildung einer großen Koalition enorm verändert. Von vielen wird das neue Bündnis sehr kritisch bewertet. Wie schätzen Sie es ein? Die große Koalition war zwangsläufig. Der Landrat ist nach den letzten Wahlen mehr oder weniger handlungsunfähig geworden, so dass die große Koalition praktisch von ihm angeschoben wurde. Er hat sozusagen die weiße Fahne gehisst. Wir haben alle das Angebot angenommen und werden nun mal schauen, ob es funktioniert. Mal sehen, wie stark die SPD ist, diese schmerzliche Zeit durchzustehen. Denn es ist nicht nur so, dass es nichts mehr zu verteilen gibt, sondern auch eingespart werden muss. Negative Dinge durchzusetzen ist das Faktum, mit dem wir jetzt umzugehen haben. Stahnsdorfs SPD scheint seit anderthalb Jahren eine schmerzliche Zeit zu haben, nachdem sie die Kommunalwahl deutlich verloren hat. Warum nennen Sie die Sozialdemokraten im Ort „schlechte Verlierer“? Wenn wir die Anträge der SPD-Fraktion sehen, sind diese nur von Populismus geprägt. Sie sind nicht sachorientiert. Wir haben eine sehr gute Finanzlage. Anfang des Jahres hatten wir 2,5 Millionen Euro Mehreinnahmen an Gewerbesteuern. Da kommt gleich die SPD an und will einen sofortigen Baubeginn für den Schülertreff „ClaB“. Ohne Konzept und ohne Finanzierung. Das ist reiner Populismus. Man kann die Frage eines Neubaus, einer Sanierung oder eines anderen Gebäudes nicht übers Knie brechen. Wenn man feststellt, dass nur ein Prozent der Stahnsdorfer Kinder und Jugendlichen den ClaB nutzen, muss man über Konzepte der Einrichtung nachdenken. Aber ein Signal der Gemeinde würde nicht schaden, so schnell wie möglich etwas zu unternehmen, weil die Bedingungen schlecht sind Das ist richtig, der bauliche Zustand ist absolut desolat. Nur muss man überdenken, ob die gegenwärtigen Konzepte des ClaB ausreichen. Im Augenblick sind die Bedarfszahlen leider nicht überzeugend. Wir müssen den Anspruch des Hauses erhöhen, ihn genau definieren und daraus eine Planung entwickeln. So haben wir es beim geplanten Neubau der Sporthalle gemacht und es hat bestens funktioniert. Sie sprachen eben von einer sehr guten Finanzlage Stahnsdorfs. Bekanntlich drücken die Gemeinde noch Verbindlichkeiten in Millionenhöhe. Man muss da zwei Dinge sehen. Wir haben in kurzer Zeit ein Drittel der Gesamtschulden abgebaut, so dass wir weniger als 10 Millionen Euro Verbindlichkeiten haben. Allein die Zinsersparnis ist ein großer Brocken für uns. Dass wir Gewerbesteuereinnahmen nicht gleich ausgeben, sondern zur Schuldentilgung verwenden, ist vernünftig bei den gegenwärtig günstigen Zinssätzen. Man vergisst auch allzu häufig, dass wir ein ausgebautes Gewerbegebiet haben, was ein Kapitalstock ist. Im Augenblick ist die Vermarktungslage schlecht, aber wir haben mit der Umgehungsstraße und der geplanten Anbindung an die Landesstraße 77 eine gute Zukunft. Führen Sie doch bitte die drei folgenden Sätze weiter: Für die Zukunft des Freibads Kiebitzberge bedarf es einer gemeinsamen Haltung, einer gemeinsamen Konzeption und einer gemeinsamen Sprache. Wir wollen das Freibad erhalten, mit allen drei Kommunen. Da müssen wir uns zusammenraufen und eine Lösung finden. Der S-Bahn-Ringschluss ist besser als eine Straßenbahn von Potsdam nach Teltow, weil die Verkehrsflüsse nicht wie früher nach Potsdam gehen, sondern nach Berlin. Deswegen ist eine Straßenbahn nicht zielführend. Der komplette Ringschluss ist für uns ein Standortfaktor. Die S-Bahn wäre der richtige Kick, um unsere Region weiter aufzuwerten. Eine Fusion von Kleinmachnow, Teltow und Stahnsdorf ist wünschenswert, aber nicht durchsetzbar, weil die Identifikation der Bürger mit ihrem Ort eine sehr wichtige Rolle spielt. Eine Zusammenarbeit der drei Kommunen ist notwendig. Aber eine Fusion – zumindest mittelfristig – ist nicht realisierbar. Zum Abschluss: Wo sehen Sie Ihre politische Zukunft und als was? Noch bin ich voll berufstätig. Ich will in der Kommunalpolitik bleiben, in welcher Funktion auch immer, lasse ich heute noch völlig offen. Es heißt, Sie wollen Bürgermeister Enser beerben. Die Frage habe nicht ich zu beantworten, sondern andere. Dass ich sehr intensiv arbeite, um bei allen Themen, die uns wichtig sind, sattelfest zu sein, stimmt. Auch werde ich vom Bürgermeister gut gefördert und geschult. Das Gespräch führten Peter Könnicke und Volker Eckert.
- showPaywall:
- false
- isSubscriber:
- false
- isPaid: