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Potsdam-Mittelmark: Mindestlohn bedroht Obst- und Spargelbau
Gartenbauverband und Branchenvertreter aus Werder und Beelitz warnen vor dem Aus vieler Höfe
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Werder (Havel) / Beelitz - Bei der Einführung eines Mindestlohnes von 8,50 Euro könnten die Obst- und Spargelanbauflächen in der Region erheblich schrumpfen. Davor warnten Branchenvertreter bei einer PNN-Umfrage. „Ich würde selbst gern für 8,50 Euro die Stunde arbeiten gehen“, sagte Stefan Lindicke, Inhaber eines Obsthofes und Geschäftsführer des Werderschen Obstbauvereins. Bei den 50 bis 80 Stunden, die er wöchentlich arbeite, würde er dann endlich auf ein ordentliches Gehalt kommen.
Lindicke ist eigentlich nicht zum Spaßen zumute. Er fürchtet, dass die Selbstausbeutung in den inhabergeführten Obstbaubetrieben noch größer wird, wenn sich die SPD mit ihrer Lohnuntergrenze bei den Koalitionsgesprächen durchsetzt. „Dann werden wir nur noch für die Mindestlöhne der Angestellten rackern. Das ist nicht mehr darstellbar.“ Viele Obstanbaubetriebe müssten dann darüber nachdenken, ob es sich noch lohnt. Aus Lindickes Sicht ist ein Mindestlohn in dieser Höhe im Obstbau nur mit staatlichen Zuschüssen realistisch.
Bislang sind sich die Verhandlungspartner der Großen Koalition noch uneins bei dem Thema, deshalb machen sich einige Obstbauern Hoffnungen. Manfred Seidel von der Märkischen Obstbau GmbH in Groß Kreutz etwa glaubt an einen Kompromiss oder eine Ausschlussklausel. „Kein Obstbauer hat ein großes Plus im Jahresabschluss“, erklärte er. Sei ein Mindestlohn für Vollzeitangestellte womöglich noch darstellbar, würde er bei Saisonkräften für die meisten Betriebe das sichere Aus bedeuten.
Ernst-August Winkelmann vom Spargelhof Klaistow, dem größten Spargelproduzenten Brandenburgs, sieht es genauso. Nur seine besten Erntehelfer würden auf 8,50 Euro kommen. Im Schnitt würden sie weniger verdienen und seien trotzdem zufrieden. „Man darf nicht vergessen, dass die Saisonarbeiter nach acht Wochen wieder in ihre Heimatländer fahren und nicht die deutschen Lebenshaltungskosten haben“, so Winkelmann. Wenn ein Rumäne mit 1500 Euro nach Hause komme, sei das ein Jahresgehalt.
Mit 8,50 Euro Mindestlohn müsse sein Betrieb über eine deutliche Reduzierung der Flächen nachdenken, die Spargelpreise würden dann wohl steigen. „In Frankreich werden seit der Einführung des Mindestlohnes kaum noch Sonderkulturen produziert“, warnt Winkelmann. Das drohe auch in Deutschland.
Der Geschäftsführer des Gartenbauverbandes Berlin-Brandenburg, Andreas Jende, betonte, dass es bereits einen branchenspezifischen Mindestlohn von 6,65 Euro gebe. 80 Prozent der wirtschaftlich relevanten Obst- und Gartenbaubetriebe seien Mitglied im Gartenbauverband und hielten sich daran. „Jeder Gärtner will seinen Mitarbeitern genug Geld zum Leben bezahlen.“ Mit dem flächendeckenden Mindestlohn sei allerdings „das Aus für arbeitsintensive Kulturen programmiert“, prophezeit Jende. Selbst hochproduktive Betriebe müssten dann über die Schließung nachdenken.
In der Branche seien jährlich etwa 5500 Saisonkräfte im Einsatz. „Vier märkische Saisonarbeiter sichern den Arbeitsplatz eines festangestellten Beschäftigten“, rechnet er vor. Daran müssten Politiker bei der Forderung nach Lohnuntergrenzen denken. Der Obst- und Gartenbau sei auch nicht mit der Landwirtschaft zu vergleichen, wo für 100 Hektar zwei Leute benötigt werden. „Kirschen, Pflaumen und Äpfel zu ernten ist einfach sehr, sehr arbeitsintensiv.“ Versuche, zum Beispiel den Spargel- oder Erdbeeranbau zu mechanisieren, seien in den vergangenen Jahren gescheitert. Die Betriebe könnten sich auch nicht „vom Markt entkoppeln“ und müssten konkurrenzfähig bleiben. „Das ist anders als bei einem Friseur: Unsere Produkte sind austauschbar.“
Für den Fall, dass der branchenübergreifende Mindestlohn nicht zu verhindern ist, schlägt Jende vor, auch Mindestpreise für die Produzenten einzuführen. „Das wäre die logische Konsequenz. Wenn der Handel 50 bis 60 Cent für das Kilo Äpfel zahlt, dann wird es gehen.“ Derzeit seien es 30 bis 35 Cent.
Die Potsdamer CDU-Bundestagsabgeordnete Katherina Reiche äußerte Verständnis für die Bedenken. „Die 8,50 Euro sind gut gemeint, vernichten aber besonders in den Neuen Ländern Arbeitsplätze.“ Reiche leitet in den Koalitionsgesprächen die Verhandlungsgruppe Landwirtschaft und Verbraucherschutz. „Wir warnen vor den 8,50 Euro, sagen aber auch, dass wir tarifgebundene Lohnuntergrenzen wollen.“
Brandenburgs Arbeitsminister Günter Baaske (SPD) macht eine andere Rechnung auf: „In Brandenburg verdient jeder fünfte Vollzeitbeschäftigte weniger als 8,50 Euro pro Stunde.“ Von niedrigen Löhnen seien auch gut qualifizierte Menschen mit einer abgeschlossenen Berufsausbildung betroffen. „Hier muss dringend etwas getan werden. Armut trotz Arbeit muss ein Ende haben.“ Wer Vollzeit arbeite, dürfe nicht länger auf Sozialleistungen angewiesen sein, um über die Runden zu kommen, sagte Baaske.(mit dpa)
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