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Potsdam-Mittelmark: Mit Defa-Stars zum Ernte-Einsatz

Der Vier-Linden-Hof in Derwitz ist voller Geschichten – eine Einladung zur Landpartie

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Der Vier-Linden-Hof in Derwitz ist voller Geschichten – eine Einladung zur Landpartie Von Thomas Lähns Werder · Derwitz - Klaus Hübner kann sich genau an den Sommer erinnern, als die ostdeutsche Filmprominenz für einen Ernteeinsatz zur LPG nach Derwitz „abkommandiert“ wurde. „1960 stand Manfred Krug auf unserem Feld und hat Kartoffeln gebuddelt.“ Die Schauspielerin Christel Bodenstein habe seiner Mutter bei der Zubereitung des Mittagessens geholfen, ihr Kollege Günther Simon und der Regisseur Konrad Wolf haben währenddessen draußen „ordentlich mit angepackt“. „Conny kannte ich sehr gut. Damals haben sich echte Freundschaften entwickelt“, schwärmt der Landwirt. Solche Geschichten gibt es bei den Hübners oft zu hören, immer wenn Leute von außerhalb da sind und in einer ihrer Ferienwohnungen Urlaub machen. Zwischen Kaffee und Kuchen greift das Familienoberhaupt dann tief in den reichhaltigen historischen Fundus des Vier-Linden-Hofes und zaubert immer wieder ein Staunen in die Gesichter der Gäste. Der Urlaub auf dem Bauernhof wird zum Ausflug in die ostdeutsche Geschichte. 1960 wurde die Ländliche Produktionsgenossenschaft Typ I „Defa-Derwitz“gegründet. Bei jeder LPG musste damals ein staatlicher „Betreuer“ mit im Boot sitzen. Während anderswo Patenschaften mit Industriebetrieben und politischen Einrichtungen geschlossen wurden, beteiligten sich in Derwitz eben die Babelsberger Filmstudios - und damit Krug und Co. - an der Landwirtschaft. Die Arbeitsgeräte von damals stehen noch immer mitten auf dem Hof: Pflug, Heurechen, Heuwender. Die eisernen Vehikel sind nur noch Zierrat, die Arbeit wurde von moderneren Maschinen übernommen. Klaus Hübners Frau Renate leitet heute den Betrieb. Auf insgesamt 31 Hektar werden Kartoffeln, Kohl und Getreide angebaut, der Viehbestand zählt 500 Legehühner und 1000 Weihnachtsgänse. Die landwirtschaftlichen Erzeugnisse – sogar Brot und Kuchen werden bei den Hübners im eigenen Ofen gebacken – kommen vor Ort im Hofladen oder auf Märkten in Berlin zum Verkauf. Darüber hinaus gibt es ein Hofcafé. „Uns ist die familiäre Atmosphäre wichtig", sagt die Chefin. Auf großen Trubel zwischen den roten Backsteingebäuden des Hofes lege sie nicht so viel Wert wie auf Gespräche mit den Kunden – und die sind meist von den Anekdoten des Vier-Linden-Hof geprägt. 1837 kaufte Klaus Hübners Urgroßvater das Gehöft und über hundert Hektar Land als Dorfschulzengut. Immer wieder habe es Höhen und Tiefen gegeben, die man irgendwie überstanden hatte. Routiniert und trocken setzt Klaus Hübner zur nächsten Geschichte an: „Eine kurze Zeit lang war das hier eine amerikanische Farm, wehte über diesem Dach sogar die US-Flagge.“ Sein Vater Erich habe noch während der Naziherrschaft in Berlin-Moabit eingesessen und dort einen Gefangenen aus den USA kennen gelernt. Zusammen wollten sie Haus und Hof 1945 vor den Wirren der Nachkriegszeit schützen. Der neue Freund aus Übersee besorgte Stempel und Unterschriften, um das Land der Hübners zu amerikanischem Territorium zu erklären. Der Bauernhof unter „Stars and Stripes“ war für die Sowjetarmee und die Polizei unantastbar. „Allerdings war alles nur ein Schwindel, der bald aufflog.“ Verärgert seien amerikanische Militärpolizisten vorbei gekommen und hätten die Flagge vom Dach geholt. Stundenlang könnte Klaus Hübner über die Episoden des Vier-Linden-Hofes berichten, über das erste Auto, welches man von den Sowjets für ein paar Flaschen Schnaps organisiert hatte, über die kurzzeitige Flucht seiner Familie in den Westen – nach sechs Wochen kehrten die Hübners zurück – und über den amerikanischen Agenten, der kurz vor seinem Verschwinden auf dem Kornboden einen Koffer deponierte – Geschichten, die wohl noch einige Kaffeetafeln verblüffen werden. Zur Landpartie am kommenden Wochenende präsentiert sich der Vier-Linden-Hof in der Derwitzer Dorfstraße den Gästen und veranstaltet ein buntes Programm. In den morgigen PNN wird eine Liste aller Höfe in Potsdam und Potsdam-Mittelmark abgedruckt, die am 12. und 13. Juni ihre Scheunentore öffnen.

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