zum Hauptinhalt
Begegnungsverkehr. Das Bundesverkehrsministerium setzt auf die Eigenverantwortung der Wassersportler.

© Thomas Lähns

Führerscheinfrei: Mit dreifacher Kraft

Ab September dürfen deutlich schnellere Boote führerscheinfrei gefahren werden. In der Potsdamer Havelregion sind die Meinungen darüber geteilt.

Stand:

Werder (Havel) / Potsdam - Führerscheinfrei mit dem Motorboot auf der Havel – das ist jetzt schon möglich. In ein paar Wochen wird es noch einfacher. Das Bundesverkehrsministerium setzt einen Bundestagsbeschluss um, wonach Freizeitkapitäne mit stärkeren und schnelleren Motoren auf den deutschen Binnenwasserstraßen unterwegs sein dürfen – ohne Bootsführerschein. Die „Führerscheinfreigrenze“ wird im September von 5 auf 15 PS heraufgesetzt, wie das Ministerium gestern bestätigte. Die Neuregelung gelte für alle Bundeswasserstraßen, so Ministeriumssprecher Matthias Schmoll.

In und um Potsdam gibt es unterschiedliche Reaktionen darauf. Einer, der sich freut, ist Frank Ringel, Betreiber eines Yachthafens in Töplitz und Vorstandsmitglied im Wirtschaftsverband Wassersport Berlin-Brandenburg. Der Verband habe sich für moderatere Bestimmungen stark gemacht, sagte Ringel den PNN. Man hofft auf wirtschaftliche Impulse. „Gerade für jüngere Leute war es nicht so interessant, schwach motorisierte Boote auszuleihen.“ Weit komme man damit auch nicht. Mit 15 PS werde es zum Beispiel einfacher sein, in ein paar Stunden die Insel Potsdam zu umrunden. Es werde insgesamt interessanter, von Ort zu Ort zu fahren. „Wer Havelluft geschnuppert hat, will dann einen Führerschein und ein eigenes, stärkeres Boot“, glaubt er. „Und dann braucht er bei uns einen Liegeplatz.“

Laut Ringel wird die Regelung wohl erst zur Saison im nächsten Jahr spürbar werden. „Die Bootsvermieter werden den Winter brauchen, um ihre Boote umzurüsten.“ Guido Krüger vom Werderaner Bootsverleih Krüger & Till kündigte an, zumindest einige seiner Boote aufzurüsten. Die Kunden müssten nicht mehr ständig Vollgas fahren, um vorwärts zu kommen. „Unsere größeren Kajütboote werden damit leiser und manövrierfähiger.“ Allerdings werde man das Tempo wohl bei 15 km/h drosseln. Theoretisch könnte man mit den Motoren, wo es erlaubt ist, 25 Sachen fahren – doppelt so schnell wie mit 5 PS. Mit Schlauchbooten könnten „Gleitfahrten“ möglich sein.

Krüger ist trotzdem guter Dinge, was die Sicherheit auf dem Wasser angeht. In den 20 Jahren, in denen er Boote verleiht, habe es mit seinen Kunden nie größere Unfälle gegeben. Die Pflicht, die Bootsführer intensiv einzuweisen, besteht zwar nur für Charterboote. „Wir weisen aber Jeden ein, auf den Booten gibt es Bootspässe zu den Regeln auf dem Wasser.“ Auch andere Verleiher seien verantwortungsbewusst.

Heinz Bernhardt von der Yachtcharter Bernhardt am Zernsee sieht das skeptisch und wird die Neuregelung nicht mittragen. Vor allem fürchtet er, dass einige Charterbootverleiher jetzt auf Kosten der Sicherheit ihr Geschäft ankurbeln: „Die großen Yachten werden 15-PS-Motoren reingeknallt bekommen, obwohl sie mit 70 PS motorisiert sein müssten.“ Damit könnten sie zwar noch fortbewegt werden. Die fehlende Kraft sei aber bei Wind, beim Schleusen, Anlegen oder schnellen Manövern riskant.

Besonders in der Berufsschifffahrt gibt es deshalb Stirnrunzeln. Der Caputher FährmannKarsten Grunow wundert sich, dass die Sicherheitsbestimmungen für seinen Fährbetrieb sukzessive verschärft wurden, während in der Sportschifffahrt immer laxere Gesetze gelten würden. „Ob die Freizeitkapitäne noch eine Ahnung von den Regeln haben, ist offenbar egal.“ An der Fähre und im Gemünde habe er deshalb schon viele heikle Situationen erlebt.

Wie Grunow spricht auch Jan Lehmann von der Potsdamer Weissen Flotte von einer „Ungleichbehandlung“. „Wir müssen alles Mögliche nachweisen.“ Auf der anderen Seite werde von seinen Schiffsführern beobachtet, dass Bootsführer ohne Führerschein mit einfachen Begegnungsfällen in der Fahrrinne überfordert sind. „25 km/h auf dem Wasser sind kein Spaß mehr in solchen Situationen.“ Gerade in und um Potsdam rechnet er mit mehr Unfällen und schlimmeren Folgen. „An einem schönen Sommertag passieren 1800 Sportboote unser Hafenbecken. Ein Führerschein ist da zwingend.“

Beim Polizeipräsidium Brandenburg hieß es gestern schlicht, dass die gesetzliche Neuregelung durch die Wasserschutzpolizei „umgesetzt“ werde – auch mit Kontrollen. „Unwissen schützt vor Strafe nicht“, so Polizeisprecher Mario Heinemann, „auch wenn man keinen Führerschein hat.“ Heinemann vertraut auf Wassersportler und Bootsverleiher, die ihre Kunden „schon aus Selbstschutz“ genauer einweisen werden. Auch im Bundesverkehrsministerium setzt man auf Eigenverantwortung. „In einer Evaluation nach drei Jahren wird zu prüfen sein, ob es verstärkt zu Fällen von unverhältnismäßig hohen Geschwindigkeiten gekommen ist“, so Sprecher Schmoll. Gegebenenfalls werde dann nachgesteuert. 

Zur Startseite

showPaywall:
false
isSubscriber:
false
isPaid:
console.debug({ userId: "", verifiedBot: "false", botCategory: "" })