zum Hauptinhalt
Dem Frieden nach mit jedermann. Die „Titanen on Tour“ sind mit acht Planwagen unterwegs ins russische Nowgorod. Sie wollen die Friedensbotschaft in Europa verbreiten – mit Pferden. Im Gepäck haben sie Brot und Glocken.

© Sebastian Gabsch

2330 Kilometer nach Weliki Nowgorod: Mit Hufgetrappel nach Nowgorod

Ein Tross aus acht Planwagen machte in den vergangenen zwei Tagen Halt in Geltow. Jetzt reisen die „Titanen on Tour“ weiter – nach Russland

Stand:

Geltow - Langsam setzen sich die Planwagen mit lautem Geklapper und dem Hufgetrappel der Pferde in Bewegung. Anwohner stehen auf der Straße, um dem Treck auf seiner Reise Glück zu wünschen und hinterherzuwinken. Während der kleine Zug die Straße hochfährt, erklingt von einem der Wagen das Geläut der Friedensglocke.

Am Donnerstagmorgen verabschiedete sich der Treck der „Titanen on Tour“ aus Geltow und machte sich auf seinen langen Weg Richtung Nowgorod auf. Bereits am Tag zuvor waren die acht von Pferden gezogenen Planwagen im Ort angekommen und bis vor die Dorfkirche gefahren. Im Gepäck hatten sie eine Friedensbotschaft, die sie mit einer recht ungewöhnlichen Idee verbreiten wollen. Die Reisenden fahren mit ihren Pferdewagen rund 2330 Kilometer von Brück bis in die russische Stadt Weliki Nowgorod.

„Titanen on Tour“ heißt das Abenteuer. Initiiert wird es von dem im Jahr 2002 gegründeten „Kaltblut Zucht- und Sportverein Brück“, der Evangelischen Kirchengemeinde Brück sowie von vielen Unterstützern, Freiwilligen und Sponsoren. „Es soll eine Begegnungs- und Versöhnungsreise sein“, erklärt Helmut Kautz, Pfarrer von Brück, der bei einem Großteil der Strecke mit dabei sein wird. „Ich bin hier der Hirte“, sagt er mit einem herzlichen Lachen. Insgesamt werden die acht Wagen mit den 25 Mitfahrern und 16 Pferden rund 80 Tage unterwegs sein und an mehr als 70 Orten Halt machen.

Unterwegs auf einer mittelalterlichen Route

Bereits im Jahr 2009 veranstaltete der Verein eine erste Tour. Damals in die andere Richtung, vom belgischen Brügge bis nach Brück. Das erzählt die Tierärztin und Mitorganisatorin Claudia Possardt, die im brandenburgischen Ministerium der Justiz und für Europa und Verbraucherschutz (MdJEV) für den Tierschutz zuständig ist. Acht Wochen brauchten die 135 Fahrer und Beifahrer - überwiegend Rentnerinnen und Rentner - damals mit zehn Wagen für die rund 1200 Kilometer. „Vor rund 850 Jahren besiedelten die Flamen das Gebiet um Brück. Daher auch der Name Fläming.Sie sind dann weitergezogen, bis nach Nowgorod“, erklärt Kautz.

Die Flamen waren im zwölften Jahrhundert auf Einladung des Erzbischofs Wichmann von Magdeburg gekommen, um sich in der Region eine neue Existenz aufzubauen. Der Titanen-Treck von 2009 folgte den mittelalterlichen Siedlern auf ihrer ursprünglichen Route, dem sogenannten Hellweg, eine der längsten und ältesten Verbindungs- und Handelswege zwischen dem westlichen und östlichen Europa.

Die zweite Tour ist eine Fortsetzung der ersten Fahrt. Das Motto: „Europa sind wir – Pferde bringen den Frieden“. Es gehe um Verständigung, um Begegnung und das Aufeinanderzugehen. Man versuche einen Beitrag zur Versöhnung und Verständigung der Länder zu schaffen, die der Treck durchfahren wird, so Possardt. Vom brandenburgischen Brück zieht der Tross über Polen, Kaliningrad, Litauen, Lettland und Estland und dann bis nach Weliki Nowgorod in Russland. „Wir reisen dabei durch Länder, mit denen Deutschland eine lange Geschichte hat“, sagt Kautz mit Blick auf die zwei Weltkriege und die Nachkriegsgeschichte, die ihre Spuren hinterlassen haben. Die Beziehung der Länder sei untereinander nicht immer einfach, aber wichtig für ein freies Europa. Statt mit abstrakter Politik versucht es der Treck mit Friedensbotschaften und Symbolen. „Wir kommen mit Pferden, einer Glocke und Brot“, so Kautz. Das würden alle kennen und verstehen. Außerdem seien die drei Dinge ausschließlich positiv besetzt.

„Wenn das Geld nicht reicht, fahren wir nur bis nach Riga“

Die große Glocke, die auf einem der Wagen mitfährt, habe der Gießer Peter Glasbrenner aus Schwäbisch-Hall extra angefertigt. Darauf steht „Jagt dem Frieden nach mit jedermann“ – ein Vers aus der Bibel. Friede mit dem eigenen Nachbarn sei ja für manchen schon schwierig. Und dann noch mit jedermann? Das habe etwas Aktives. „Dafür muss man aus sich herauskommen, auf den anderen offen zugehen“, so Kautz. Die Glocke solle in jedem Ort ihrer Friedenstour geläutet werden. In Nowgorod wird sie an die berühmte Sophienkathedrale verschenkt. 70 Miniaturduplikate haben sie zudem dabei, die sie an jeder Etappe ihrer Reise überreichen wollen.

Die 16 Pferde, die alle Wagen ziehen, sind etwas Besonderes. Rheinisch-Deutsche Kaltblüter. „Die sind vom Aussterben bedroht. In Brück werden sie noch gezüchtet.“ Seit einigen Jahren veranstaltet der Zucht- und Sportverein das überregional bekannte Rennen „Titanen der Rennbahn“ mit den Pferden. „Wir haben ein Motto: Erst die Pferde, dann die Menschen“, sagt Kautz. Unterwegs kriegen erst die Pferde ihr Futter, dann dürfen die Fahrer auch etwas essen. Die großen, robust wirkenden Tiere seien sehr ruhig und geduldig. „Mit denen kann man einfach alles machen.“ Die Planwagen seien in Polen nach historischem Vorbild der mittelalterlichen Planwagen von vor rund 850 Jahren gebaut worden, erzählt Possardt. Sie sind aus Holz und ungefedert. Nicht so unglaublich bequem. „Die machen ganz schön Lärm, wenn sie unterwegs sind“, sagt sie und lacht.

„Titanen on Tour“ finanziert sich über Spenden. Das sei auch immer noch nicht ganz geregelt, sagt Kautz. „Wenn das Geld nicht reicht, fahren wir nur bis nach Riga“, sagt Possardt mit einem Lachen. Die Hilfsbereitschaft war, zumindest bei den Menschen die ihnen bei der ersten Etappe begegneten, hoch. „Einige haben uns unterwegs die Obstkörbe hochgereicht“, so Kautz. Die Tiere sind kostenlos in der Pferdepension „Zum Fuchsbau“ von Cornelia Fuchs untergekommen, die Fahrer bei Geltowern, die bei sich zu Hause Betten zur Verfügung gestellt haben. Wo sie in den anderen Orten unterkommen werden, wüssten sie noch nicht, sagt Pfarrer Kuntz. Aber sie sind guter Hoffnung, dass alles klappen wird.

Sarah Stoffers

Zur Startseite

showPaywall:
false
isSubscriber:
false
isPaid:
console.debug({ userId: "", verifiedBot: "false", botCategory: "" })