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Potsdam-Mittelmark: Mit Mauern ohne Grenzen erinnern

20 Jahre nach dem Wende-Herbst blickten Teltower und Berliner gemeinsam zurück

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Teltow - Ein bisschen glich die Festmeile im Umfeld der Knesebeckbrücke gestern einem Boulevard der Erinnerungen. Da unterhielten sich zwei ältere Herren, wie das damals war mit „die LPG und die Zwangskollektivierung“. Ein anderer, durchaus reifer Herr, skizzierte mit ausschweifenden Armbewegungen seiner weitaus jüngeren Begleitung, wie ein Segment der Berliner Mauer beschaffen war, um ihr dann die sechs Originalteile der Teltow Gallery zu zeigen. Und zwei andere Männer wiederum erinnerten sich, wie bei der DDR-Moped-Baureihe SR I häufig „der Vergaser absoff“.

20 Jahre nach dem Mauerfall wurde gestern nach Teltow zum „Fest ohne Grenzen“ eingeladen. Sich erinnern und gleichzeitig feiern – so lautete der Anspruch der Stadt und des Nachbarbezirks Steglitz-Zehlendorf als gemeinsame Gastgeber. Wenn sich Erinnerungslücken auftaten, halfen zahlreiche „Zeitzeugen“ dem Gedächtnis auf die Sprünge. Sehr authentisch gelang das durch Videoaufzeichnungen des Berliner Eckhard Höfer, der die Geschehnisse vom Wende-Herbst 1989 gefilmt und kommentiert hat. Der Film machte den Stubenrauch-Saal in der Teltower Altstadt zu einem ständig gut besuchten Kino: In einer Wiederholungsschleife waren die Tage vom 11. bis 14. November zu sehen – drei Tage voller Dynamik, die genügten, um nach 30 Jahren die Mauer ein- und Menschen mitzureißen. „Die Ausbuddelei nimmt langsam Volksfestcharakter an“, hörte man Höfer erzählen.

Ergänzt wurde der Film von einer Fotoausstellung, die vor allem die Öffnung der Grenzübergangsstelle von Teltow nach Zehlendorf, lange Menschenschlangen vor der städtischen Pass- und Visa-Stelle oder das Umstürzen eine Grenzkontrollturms zeigt. Video und die Bilderschau sind auch an den kommenden Tagen noch zu sehen. Ebenso die Arbeiten von elf Teltower Künstlern, die ihre Gedanken zum Mauerfall in ganz unterschiedlichen Motiven gemalt haben.

Animationen zur Erinnerung gab es auch auf der anderen Seite der Berliner Seite der Knesebeckbrücke. Hier wurde man u.a. an einer Fototafel aufgefordert, seine „grenzenlosen Gedanken“ aufzuschreiben. Und so erinnerte sich jemand, dass es nach der Maueröffnung „wochenlang keine Milch und keine Bananen in Kreuzberg gab – und wir sooo glücklich darüber waren“.

Dass die Erinnerungen viel weiter zurückreichen als bis zum 9. November 1989 und vielen Gästen die Jahre der deutschen Teilung in zahlreichen Facetten präsent sind, konnte man nicht nur den Gesprächen entnehmen. Spätestens als am Abend Karat auf die Bühne trat, wurde ein Stück deutsch-deutscher Musikgeschichte erhellt. „Es gibt wohl keine bessere Band, mit der wir heute die deutsche Einheit hätten feiern können“, meinte Teltows Bürgermeister Thomas Schmidt. Der Klassiker „Über sieben Brücken“ hat Ost und West schon vor 30 Jahren stimmlich vereint – so auch am gestrigen Abend. Peter Könnicke

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