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Potsdam-Mittelmark: Mit Menschenschweiß gegen Wildunfälle im Straßenverkehr

„Verdunstersäulen“ mit chemischer Substanz sollen „Scheuchwirkung“ auf Schwarzkittel erzeugen

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„Verdunstersäulen“ mit chemischer Substanz sollen „Scheuchwirkung“ auf Schwarzkittel erzeugen Von Thomas Bein Ein Schatz der brandenburgischen Natur ist ihre Tierwelt. Spätestens im Herbst wird dieser Reichtum jedoch insbesondere für Verkehrsteilnehmer zur unberechenbaren Gefahr. 14 577 Wildunfälle kosteten im vergangenen Jahr vier Menschen das Leben und führten bei mindestens 277 zu Verletzungen. In den ersten neun Monaten dieses Jahres kam es nach Polizeiangaben schon zu fast 10 000 Zusammenstößen. Zur Abschreckung von Rehen und Wildschweinen an Straßen setzen Experten auf ein neues Mittel: Menschenschweiß. Federführend ist dabei der Regionalverband Prignitz der Schutzgemeinschaft Deutscher Wald. In Brandenburgs Nordwesten sollen in einem vom Arbeitsamt geförderten Projekt 150 „Verdunstersäulen“ aufgestellt werden. Sie verströmen über Trägerstoffe eine chemisch hergestellte Substanz, die menschlichem Schweiß gleicht. Unter Beteiligung des Straßenbauamtes in Kyritz werden die Säulen alle 50 Meter an Ortsumgehungen und Schnellstraßen errichtet, in Schwerpunktbereichen auch in 25 Metern Abstand. Der Regionalverband kämpft seit Jahren gegen Wildunfälle. „Dabei steht für uns der Schutz des Menschen im Mittelpunkt“, sagt der Verbandsvorsitzende Rudolf Scholz. Er hat die neue Abwehrvorrichtung entwickelt. Ein Jahr lang wurde sie erprobt – und zeigte laut Scholz ausgezeichnete Erfolge. „Wir haben das System vor allem an landwirtschaftlichen Flächen eingesetzt, um Wildschäden zu verhindern. Auch wollten wir testen, ob sich das Wild nicht an diese Geruchsstoffe gewöhnt und die Scheuchwirkung nachlässt. Das konnten wir aber nicht feststellen.“ Seit vielen Jahren arbeitet die Schutzgemeinschaft daran, die Straßen sicherer zu machen. Folienstreifen an Straßenbäumen und Reflektoren an Begrenzungspfählen sollen nachts das Licht spiegeln. Auch einen speziellen, Duftschaum testeten die Naturschützer an Bäumen, halten ihn aber inzwischen eher für „Geldschneiderei“. Er funktioniere nur bei Temperaturen über zehn Grad, heißt es. Danach verdunste nichts mehr. Im Gegenteil, der Schaum verkruste ohne weitere Wirkung. „Außerdem können wir den an unseren neuen Straßen nicht einsetzen, weil dort gar keine Bäume mehr sind“, erläutert Scholz. Hauptproblem ist, dass viele Straßen massiv die Lebensräume der Tiere zerschneiden, diese jedoch angestammte Wildwechsel einhalten. Gerade durch Brandenburg verlaufen uralte Wanderwege. Scholz: „Wir können aber doch nicht die ganzen Straßen einzäunen.“ Seine Erfindung ist technisch einfach. Ein Gefäß auf der Verdunstersäule enthält die Trägersubstanz, der mit Hilfe einer großen Spritze aus einiger Entfernung das Geruchsmittel zugesetzt wird. Vorteil der abschreckenden Mischung: Sie verdunstet bei jeder Temperatur, also auch im Herbst, im Winter und Frühjahr. Etwa alle sechs bis acht Wochen müssen die Behälter nachgefüllt werden. Bei der Schutzgemeinschaft Deutscher Wald und beim Straßenbauamt verspricht man sich große Erfolge von der Neuentwicklung, die kostengünstiger als alle bisherigen Technologien sein soll. Für die Serienproduktion der Säulen sucht die Schutzgemeinschaft noch einen Unternehmen; die Urheberrechte will sie vorerst behalten.

Thomas Bein

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