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Auf den Hund gekommen. Einmal in der Woche ist die Therapiehündin Penny in der Demenzstation des Kleinmachnower Seniorenheims Senvital unterwegs und lässt sich von Irmgard Reichel und Betreuerin Bettina Hoog (r.) gerne streicheln.

©  Tobias Reichelt

Potsdam-Mittelmark: Mit Penny in Erinnerungen schwelgen

Im Seniorenheim Senvital bringt eine Therapiehündin Demenzkranke zum Lachen und Reden

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Kleinmachnow - Treue braune Augen, spitze Ohren, flauschiges Fell – „und dann auch noch so artig!“, ruft Irmgard Reichel. Die 83-Jährige kann sich gar nicht sattsehen an der schönen Hündin, die durch den Gemeinschaftsraum im Kleinmachnower Seniorenheim Senvital tappst. „Du bist so ein goldiges Vieh“, sagt die 83-Jährige, als Penny vor ihr halt macht und sich streicheln lässt. Ein kurzer Hundeblick genügt und schon rückt die Rentnerin ein Leckerli heraus. Mit einem Happs ist das Futter verschwunden. Zum Dank bekommt die Dame die Nase geschlabbert – dann geht es weiter.

Wieder ist Freitag und wieder ist Penny in der Demenzstation des Kleinmachnower Seniorenheims an der Förster-Funke-Allee unterwegs. Seit der Eröffnung des Heims im Februar ist die sechs Jahre alte Therapiehündin aus dem Alltag dort nicht mehr wegzudenken, sagt Bettina Hoog. Die Betreuerin kümmert sich mit vielen anderen Helfern um die 20 Demenzkranken im Heim, um die Menschen, deren Erinnerungen an ihr Leben oft von Tag zu Tag verblassen. „Aber wenn Penny kommt, erzählen sie drauflos“, sagt Hoog. „Dann geht es von einem ins andere.“ Biografie-Arbeit nennt das die Alltagsbegleiterin.

Penny kann sich bei ihren wöchentlichen Auftritten der Aufmerksamkeit sicher sein. Kaum hat sie ihre dunkle Nase durch die Tür geschoben, sind alle Blicke auf die Hündin gerichtet. Die Senioren beginnen zu lächeln, rücken ihre Stühle vom Tisch ab oder die Rollatoren in den Gang. Einer nach dem anderen streckt die Hände aus, um Pennys weiches Fell zu streicheln. Einige begrüßen die Hündin unter dem Namen, den auch Penny kennt, andere rufen sie als Paul oder Peter. Penny stört das nicht, denn die Leckerlis schmecken überall gleich.

Irmgard Reichel hat schon Bauchschmerzen vom vielen Lachen. Sie sitzt auf ihrem Sessel und wischt sich mit dem Ärmel ihre von Penny feucht geschlabberte Nase trocken. Auch Ernst Quickert hat gute Laune: „So ist das, wenn man die Nase zu weit hinausstreckt“, ruft er seiner Mitbewohnerin zu. Und dann kommt sie doch, die eine Frage, die klarmacht, dass hier nicht alles ist, wie es sein sollte: „Wo war noch mal das Badezimmer?“

Es ist vor allem das Kurzzeitgedächtnis, das bei Demenzkranken leidet. Die Zahl der Erkrankungen ist in Deutschland zuletzt weiter auf rund 1,4 Millionen Betroffene gestiegen. Bis zum Jahr 2050 sollen es rund drei Millionen sein. „Die Menschen sind trotzdem lieb und lustig“, sagt Bettina Hoog. Aber das kann schwanken: In einem Moment bekommt sie ein Küsschen auf die Wange gedrückt, in einem anderen werden die Dauerbewohner scheinbar grundlos aggressiv. Der Weg zur Toilette sei noch das kleinere Problem. Manchmal stünden die Herrschaften mit Hut und Jacke auf dem Flur und wollen nach Hause. Dann müsse man ihre Biografien kennen, sagt Hoog: „Heute ist Bombenalarm, da geht das nicht. Vielleicht morgen.“

Wenn Penny ins Seniorenheim kommt, will niemand gehen, sagt Einrichtungsleiterin Nicole Schulz. „Mit Penny kommen viele Erinnerungen hoch.“ Wenn die Senioren mit den Fingern durch das weiche Hundefell fahren, fühlen sie sich wohl und beginnen zu erzählen: von eigenen Hunden, den Hunden der Eltern oder ihrer Kindheit. Gerade weil Schäferhunde in Deutschland früher sehr weit verbreitet waren, hat Penny es leicht mit den Senioren. Die Mischlingshündin stammt von einem Schäferhund ab, trägt aber auch die Gene eines Australian Shepherds in sich.

Wenn die Hündin Einrichtungsleiterin Schulz nicht zur Arbeit begleitet, lebt Penny bei der Familie. Schon als Welpe habe sie den Heimalltag kennengelernt und Schulz auch in ihrer früheren Arbeitsstätte in Berlin besucht. Penny hat sich schnell an Rollatoren, Rollstühle und Essenwagen gewöhnt. „Auch die Geräusche und Gerüche kennt sie von klein auf.“

Bevor sie als Therapiehund eingesetzt werden durfte, musste sie einen Eignungstest bei einer Tierpsychologin bestehen. „Voraussetzung ist, dass der Hund gehorsam ist“, sagt Schulz – „und Penny hört aufs Wort.“ Artig legt sie ihre Pfote auf das Knie ihres Herrchens, um das nächste Leckerli zu erhaschen. Ein Bellen dringt ihr nicht aus der Schnauze. Penny ist ein Familienhund, sagt Schulz. „Sie hält still und ist sehr verschmust.“

Auch bei Ernst Quickert. „Na das ist ja ein Bettelfritze“, sagt der 96-Jährige und reicht Penny den nächsten Happen. „Ich war immer ein Hundefreund“, sagt er. Der Senior kann sich ein Sprichwort nicht verkneifen: „Ein treuer Hund, ein gutes Pferd ist mehr als 20 Weiber wert.“ Ein Lachen geht durch den Raum, dann streichelt der Senior Penny über den Kopf. „Ich brauche dem Hund nur ins Gesicht sehen, und weiß, der ist treu.“

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