Potsdam-Mittelmark: Mit weichen Bandagen
Dem Stahnsdorfer Wahlkampf fehlt der Esprit, den Kandidaten das Profil. Am 1. Juni wird gewählt
Stand:
Stahnsdorf - Einen Augenblick mag Ruth Barthels gedacht haben, dass die Niederungen im Alltagsgeschäft als Stahnsdorfer Bürgermeister ziemlich niedrig sein können. So musste die profilierte Postmanagerin sinnieren, dass weniger Komposthaufen vielleicht ein wirksamer Schutz gegen Wildschweine sein könnten. Doch wenn man Stahnsdorfs Regentin werden will, muss man sich allen Fragen stellen.
Das einte die 48-jährige Sozialdemokratin am Montagabend mit Ute Stelter, Joachim Jankowski und Rainer Rozanski auf dem Podium, auf dem sie sich und ihre Ideen für Stahnsdorf präsentierten. Bernd Albers, der für die „Bürger für Bürger“ kandidiert, musste wegen familiärer Gründe kurzfristig seine Teilnahme an dem Streitgespräch absagen.
Unterhaltsam war der Abend. Informativ? – nun ja. Im Ringen um den Chefsessel im Rathaus hat man schon andere Kämpfe erlebt. Das liegt zum einen an den Kandidaten. Allzu offensichtlich ist die Scheinkandidatur des FDP-Bewerbers Jankowski, dessen Präsenz auf dem Podium nur den Zweck erfüllen sollen, dass die FDP hin und wieder genannt wird. Selbst auf die entlarvende Frage von Moderator Jürgen Stich, wie er mit seiner Kandidatur die Stahnsdorfer Liberalen aus ihrem Schattendasein führen wolle, wusste Jankowski keine schlüssige Antwort. Wie auch: Der Mann ist Wissenschaftler, kein Politiker. Mit seinem Ansatz, die Praxis aus der Forschung ins harte Geschäft der Kommunalverwaltung zu übersetzen – „Altes reflektieren, Neues wagen.“ – überzeugt er Stahnsdorfs Wähler bislang nicht. Also reflektierte der Chemiker: „Die nächsten 14 Tage muss sich die FDP um mehr Außenwerbung kümmern.“ Am 1. Juni wird gewählt.
SPD-Bewerberin Barthels ist rhetorisch recht geschickt, doch die Überlegenheit von CDU-Bewerberin Stelter in Sachen Ortskenntnis lässt sich nicht wegreden. Stelter wiederum trägt das Makel der zuweilen herrischen Bauamtsleiterin, die Bürgernähe nicht immer richtig buchstabiert. Und der Linke Rozanski? Solide, schlagfertig. „Aber der ist in der falschen Partei“, urteilte eine Besucherin. „Die Stimme wäre verschenkt.“
Auch die Stahnsdorfer Ausgangslage für diesen Wahlkampf unterscheidet sich von der Situation im Jahr 2000. Damals war die Gemeinde gerade dem Zwangsverwalter entkommen. Der Schuldenberg aus dem überteuerten Kauf des Gewerbegebiets war von 80 Millionen in einer Nachtragsvereinbarung mit der Treuhand auf 28,5 Millionen reduziert worden. Das dennoch schwierige Erbe verlangte präzise Vorstellungen, wie Stahnsdorf zu führen und zu entwickeln sei. Damals überzeugte der nun scheidende CDU-Bürgermeister Gerhard Enser mit dem Versprechen, für „Haushaltsklar- und -wahrheit“, für ein strenges Finanzregime sowie für klare Zuständigkeiten im Rathaus zu sorgen. Für die Stahnsdorfer klang das nach einer starken Hand nach Jahren des Chaos. Heute hinterlässt Enser seinem Nachfolger eine finanziell genesene Kommune, ein Gewerbegebiet, das das Interesse von ansiedlungswilliger Unternehmen findet, einen mit den nötigen Zahlen untersetzten Investitionsplan bis 2011 und ein Stahnsdorfer Selbstbewusstsein, mit dem sich die Kommune mindestens auf Augenhöhe mit den Nachbarorten Kleinmachnow und Teltow bewegt. „Hut ab“ lobt Rozanski, Kandidat der Linken, angesichts Ensers Bilanz.
Und dennoch, vor dem neuen Rathauschef liegt ein weites Feld: Schuldenmanagement, Siedlungsstraßenbau, Hortstätten, weitere Schulkapazitäten, regionale Zusammenarbeit, der Traum vom S-Bahnanschluss, Wirtschaftsansiedlungen, der Bau der Landesstraßen 40 und 77, Verkehrskonzepte, die Aufwertung der Teltowkanalaue, die Einführung von Doppik als neues Haushaltswesen, eine bürgerfreundliche Verwaltung – die Agenda für den neuen Stahnsdorfer Regenten ist lang. Und er muss den Spagat wagen, zwischen Wachstum und Erhalt des Charakters einer Gartenstadt. Stahnsdorf braucht die Entwicklung seiner Potenziale und darf andererseits seine Attraktivität als Wohnort im Grünen nicht preisgeben. Die Strategien für diese Zerreißprobe, soweit sie am Montag erkennbar wurden, sind unterschiedlich. Er fühle sich verpflichtet, Stahnsdorf „lebenswert“ zu gestalten und stehe für den „Erhalt der Natur“, erklärte Jankowski. Barthels will dafür sorgen, dass innerörtliche Waldstücke nicht bebaut werden und die Striewitzwiesen als gestaltete Parklandschaft erhalten bleiben. Stelter baut auf ein „ausgewogenes Verhältnis: „An bestimmten Stellen braucht man Kompromisse“, wo man „Vermögen aktivieren muss, um Vermögen zu schaffen.“
Im dramaturgischen Wechselspiel zwischen Unterhaltung und Schlagabtausch bekam das Publikum vorgestern eine persönliche Note der Kandidaten vermittelt – Stelter weiß, dass ihr Auto vier Zylinder hat, Rosanzky, dass der Teltowkanal von Ost nach West fließt. Doch ein wirklich scharfes Profil konnte keiner der Kandidaten von sich zeichnen. Rozanski präsentierte sich mit Witz und Charme, Barthels war bemüht, Jankowski blieb blass. Und Ute Stelter erwies sich dank ihres Amtsbonus als Stahnsdorfs Bauamtsleiterin zumindest als ortskundig. Das animierte sie, ihre Konkurrentin Barthels wiederholt zu korrigieren: So hält es die CDU-Kandidatin im Gegensatz zu Barthels für illusorisch, das geplante dritte staatliche Gymnasium der Region in der Zillestraße zu bauen. Die dortige Freifläche liege im Außenbereich, sei ohne Baurecht und müsste erst gekauft werden. Wolle man tatsächlich im Schuljahr 2009/10 ein Gymnasium in Stahnsdorf eröffnen, sei dies einzig in der Annastraße möglich. Auch über die Stahnsdorfer Verbindlichkeiten wusste Stelter besser Bescheid als die Konkurrenz: Kredite über zehn Millionen Euro hat die Gemeinde noch zu tilgen. Und, das ließ aufhorchen: Für die Sanierung der Bosch-Siedlung hat die gemeindeigene Wohnungsgesellschaft 13 Millionen Euro aufgenommen. Stahnsdorf wird also weiter einen Bürgermeister brauchen, der die Finanzen fest im Griff hat. Links-Kandidat Rozanski beschrieb angesichts dieses Lage Stahnsdorfs Möglichkeiten trefflich: Man brauche weder Provisorien, noch könne man sich Luxus leisten.
Gesucht wird jemand, der sich in diesem Spannungsfeld, zwischen den Niederungen und Höhenlagen, am besten zurecht findet.
- showPaywall:
- false
- isSubscriber:
- false
- isPaid: