Aus dem GERICHTSSAAL: Mitschuld des Opfers
Verwarnung und Arrest wegen sexuellen Übergriffs
Stand:
Beelitz Die nächtliche Nackenmassage in seinem Golf hatte Lukas L.* (20) noch genossen. Als Nora N.* ihn dann küssen wollte, stieß er das Mädchen derb auf den Beifahrersitz zurück. „So hübsch fand ich sie nämlich nicht“, erzählt er dem Jugendschöffengericht. „Ich sagte, sie soll sich verpissen. Mehr ist nicht passiert“, beteuert der Bäckerlehrling.
„Ich fand Lukas eigentlich ganz toll“, gesteht Nora N.* (20) im Zeugenstand. Beim ersten Treffen hätten sie sich geküsst, danach SMS geschrieben. Beim zweiten Mal, am 2. Mai vorigen Jahres, kurz vor Mitternacht, habe sie der junge Mann angerufen und gefragt, ob sie auf eine Zigarettenlänge vors Haus kommen würde. „Dann sollte ich ihm den Weg zum Bolzplatz zeigen“, so die Beelitzerin. Dort angekommen, hätten sie im Auto zuerst „ein bisschen gequatscht“.
Danach habe sie Lukas auf dessen Bitte hin Hals und Schultern massiert, später ein wenig mit ihm gekuschelt. „Plötzlich fragte er: Was würdest du machen, wenn ich dich umbringen würde?“, erzählt die im Prozess als Nebenklägerin Auftretende. „Ich dachte erst, er macht Spaß. Da begann er mich zu würgen und fasste mir in den Schritt. Mir fiel ein, dass ich meiner Mutter nicht gesagt hatte, wo ich bin. Ich hatte totale Angst und wollte weg. Er würgte mich wieder. Endlich gelang es mir, die Autotür zu öffnen und wegzulaufen.“ Dabei telefonierte Nora N. mit ihrer Mutter.
„Meine Tochter rief völlig aufgelöst an und schrie, der wollte mich umbringen, der wollte mich vergewaltigen“, berichtet Natalie N. (45) vor Gericht. „Ich schrie zurück, sie soll am Telefon bleiben. Dann rannte ich im Nachthemd auf die Straße, um zu sehen, ob sie kommt. Ich hatte das Gefühl, sie hat Todesangst.“ Noch in der selben Nacht hätten sie Anzeige bei der Polizei erstattet, seien dann zum Arzt gefahren. Der attestierte Nora N. deutliche Würgemale am Hals, Schluckbeschwerden sowie einen verstauchten Zeh.
„Ich hatte lange danach Alpträume. In denen kamen Hände unter meinem Kissen hervor“, erinnert sich Nora N., die nach dem Übergriff die Hilfe einer Opferschutzorganisation in Anspruch nahm. Noch heute hat sie Beklemmungen, muss sie irgendwo alleine hingehen.
„Die Geschädigte hat ihre Ängste und Gedanken beschrieben, die sie im Auto des Angeklagten verspürte“, versichert ein Kripo-Beamter, der die junge Frau als erster vernahm. Er machte auch Fotos von den Rötungen an ihrem Hals. „Die sprachen für mich von einer längeren Gewalteinwirkung. Dass sie vom bloßen Wegstoßen kamen, halte ich eher für unwahrscheinlich“, meint der Polizeizeuge.
Doch genau das behauptet Lukas L. Auch nach Rücksprache mit seinem Anwalt Hans-Jürgen Kernbach bleibt er bei seiner Aussage. Staatsanwaltschaft und Schöffengericht glauben ihm nicht, sehen allerdings „ein Mitverschulden des Opfers“. Dennoch hätte der Angeklagte seine Hände sofort von Nora N. nehmen müssen, als diese ihm signalisierte, dass sie weg wolle. „Es war eine sexuelle Nötigung, wenn auch im minder schweren Fall, und eine Körperverletzung“, so die Vorsitzende. Dafür müsse der Angeklagte nach Jugendstrafrecht verwarnt werden und einen Freizeitarrest (Freitag bis Sonntag) absitzen, um über sein Tun nachzudenken. (*Namen geändert.) Hoga
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