
© Manfred Thomas
Illegale Müllverklappung in Mittelmark: Müllpate hofft auf Milde
144 000 Tonnen illegaler Abfall, 73 Millionen Euro Schaden. Bernd R. sagt, er sei „da reingerutscht“
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Potsdam-Mitelmark – Bernd R. plant bereits für die Zeit nach der Haft: Er wolle die Möglichkeit bekommen, sich noch einmal eine neue Existenz aufzubauen, so der 57-Jährige. „Was ich getan habe, tut mir unendlich leid“, räumt er mit zerfurchter Stirn ein und bekennt: „Ich weiß, dass ich bestraft werden muss.“ Der mutmaßliche Müllpate von Potsdam-Mittelmark hat gestern sein Schlusswort in dem gegen ihn eingeleiteten Strafverfahren vor dem Landgericht Potsdam genutzt, um sich erneut als reuiger Sünder darzustellen.
144 000 Tonnen Siedlungs- und Gewerbeabfälle soll der ehemalige Polizist aus Borne bei Bad Belzig in mittelmärkischem Boden verbuddelt haben. Mit seiner Recyclingfirma hatte er ab 2005 von mehreren Kommunen den Auftrag bekommen, deren alte „Bürgermeisterkippen“, wie es sie zu DDR-Zeiten am Rande fast jeden Dorfes gegeben hatte, zu renaturieren. Doch bevor er die Halden mit Bauschutt versiegelte, damit der Regen den Unrat nicht auswaschen und ins Grundwasser sickern kann, hatte er weiteren Unrat dazukippen lassen – meistens geschreddert, manchmal schon mit Erde vermischt.
Diese Praxis wendete er laut Anklage in Altbensdorf, Schlamau, Mörtz, Zitz, Rogäsen, Wollin und Schlunkendorf an und blieb damit jahrelang unbehelligt. Erst Ermittler der Potsdamer Staatsanwaltschaft waren ihm im Jahr 2008 auf die Schliche gekommen. 73 Millionen Euro soll der Schaden umfassen, den Bernd R. verursacht hat. Er selbst soll laut Anklageschrift 4,4 Millionen Euro Gewinn gemacht haben, indem er unzählige Lkw-Ladungen Müll von Firmen aus Sachsen-Anhalt, Berlin und Thüringen annahm.
Bernd R. hatte bereits zu Prozessbeginn im Oktober sämtliche Vorwürfe eingeräumt. „Ich stehe in vollem Umfang zu meiner Tat“, bekräftigte er auch gestern noch einmal. Die Beweislast gegen ihn ist erdrückend, eine Haftstrafe erwartet ihn auf jeden Fall. Während die Staatsanwaltschaft 6 Jahre fordert, plädiert die Verteidigung für dreieinhalb Jahre. Kooperation war von Anfang an eine der wenigen Möglichkeiten gewesen, das Strafmaß zu senken. Und ehrliche Reue. R. gab sich während der Verhandlungstage bemüht, zumindest den Eindruck davon zu vermitteln. „Die Verlockung war einfach zu groß, ich bin da reingerutscht“, unterstrich R. nun erneut. Bereits im Laufe des Prozesses hatte er geschildert, wie seine Firma mit den kommunalen Aufträgen ins Strudeln geraten war, weil der Antransport des Bauschuttes für die Renaturierung zu teuer geworden sei. Plötzlich hätten Müll-Manager vor der Tür gestanden, die ihm Geld geboten hätten, wenn er statt Bauschutt auch Unrat entsorgte. Da habe er zugegriffen.
Andererseits ist auf diesem Wege aber auch ein Netzwerk entstanden, dass durch Schmiergelder auf der einen Seite und Einschüchterungen auf der anderen am Laufen gehalten wurde. R. besitze die Fähigkeit, Menschen zu manipulieren wie kaum ein anderer, hatten frühere Mitarbeiter ausgesagt. Eine damalige Sachbearbeiterin des Wusterwitzer Bauamtes soll R. zum Beispiel immer gewarnt haben, wenn die Kontrolleure des Landkreises kamen – gegen Zahlung von 250 Euro pro Monat, aber auch, weil sie offenbar für R. geschwärmt hatte. Die Mitarbeiter seiner Firma wurden indes immer wieder beruhigt, dass mit dem Müll, den sie da vergraben, alles seine Richtigkeit habe. Wer dennoch Fragen stellte, bekam es mit dem Firmen-Anwalt zu tun.
Einer jedoch soll umfassend Bescheid gewusst haben: Frank N., damaliger Vorarbeiter in R.’s Firma, soll den Müllpaten in sechs der sieben Fälle unterstützt haben. Nachdem er dies anfänglich noch zurückgewiesen hatte, räumte er gestern ein: „Indem ich weggeschaut und geschwiegen habe, wurde ich zum Beteiligten.“ Das bereue er bitter, zumal er auch seiner Familie damit eine schwere Zeit bereitet habe, so der 49-Jährige gestern. Er sei mittlerweile in den Alltag zurückgekehrt und versuche, alles zu verarbeiten. N., der zurzeit bei einer Kleinmachnower Firma arbeitet, könnte mit Bewährung davon kommen. Die Urteile sollen am 19. Januar verkündet werden.
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