Potsdam-Mittelmark: Müllpate in Bedrängnis
Neuer Zeuge soll Bernd R. schwer belasten. Gutachter fordert Komplettsanierung der Müllkippen
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Potsdam-Mittelmark – Im Prozess gegen den sogenannten Müllpaten vor dem Potsdamer Landgericht kündigte die Staatsanwaltschaft am gestrigen Dienstag überraschend die Vorladung eines bisher unbekannten Belastungszeugen an. Dieser soll am kommenden Dienstag aussagen und könnte an der Glaubwürdigkeit des angeklagten Bernd R. kratzen. R. hat bereits ein Geständnis abgelegt und die alleinige Verantwortung übernommen. Ein solches Geständnis würde sich strafmildernd auswirken – sofern es glaubhaft ist. Das aber könnte, so die Staatsanwaltschaft gestern, durch die Aussage des neuen Zeugen infrage gestellt werden.
Der 56-jährige Ex-Polizist und Recyclingunternehmer Bernd R. steht vor Gericht, weil er zwischen 2005 und 2008 insgesamt 144 000 Tonnen Siedlungs- und Gewerbeabfälle illegal vergraben haben soll. Eigentlich hatte er den Auftrag gehabt, die Dorfmüllkippen aus DDR-Zeiten mit Bauschutt zu versiegeln und zu renaturieren. Dazu gehörten sechs Deponien in Altbensdorf, Wollin, Zitz, Mörz, Rogäsen und Schlamau sowie der Kiestagebau Schlunkendorf. Neben Bernd R. sitzt auch sein früherer Mitarbeiter Frank N. auf der Anklagebank, ihm wird Beihilfe vorgeworfen. Aber auch gegen R.’s damaligen Anwalt, gegen seine Frau und seine Tochter wird ermittelt.
Laut Staatsanwaltschaft habe der neue Zeuge Bernd R. nach Beginn des Prozesses auf einer Veranstaltung eines Jagdvereins getroffen. Dort soll R. geäußert haben, dass er „ausreichend Geld beiseite geschafft“ habe, um ein auskömmliches Leben zu führen. Weiter soll der Zeuge gegenüber der Polizei angegeben haben, R. habe gesagt, er brauche nur zu gestehen, was ohnehin schon aktenkundig ist. Die Dauer der ihm drohenden Haftstrafe sei ihm egal. Außerdem soll R. gesagt haben, dass er bereits Ende der 90er Jahre seine erste Million mit illegalen Müllgeschäften verdient habe.
Vorher hatten mehrere Gutachter im Prozess ausgesagt. Der nach Bekanntwerden des Müllskandals von der Staatsanwaltschaft beauftragte Bauingenieur Stefan Keck äußerte sich zu möglichen Sanierungschritten und den damit verbunden Kosten: Bisher war von 73 Millionen Euro ausgegangen worden, die nötig seien, um die Deponien komplett zurückzubauen. Diese Schätzung, so Keck, bleibe auch bestehen. Allerdings würde das bedeuten, dass die Halden in einen Zustand versetzt würden, in dem sie waren, bevor sie überhaupt als Müllkippen benutzt wurden. Selbst wenn R. gemäß seinem Auftrag gearbeitet hätte, wäre aber noch Altmüll in den Gruben geblieben.
R. soll etwa 270 000 Kubikmeter an Verpackungsabfällen aus Plastik, Papier, Glas, Metall und Textilien im mittelmärkischen Erdreich verbuddelt haben. Hinzu kommen Bauabfälle aus Teer, Kohlen sowie medizinische Abfallprodukte wie Gipsverbände. Um diese Mischung zu bergen, stellte Keck auch die Variante der Teilsanierung vor: Der Aushub würde vor Ort sortiert und gesiebt, sodass das feinere Erdreich wieder eingefüllt werden könnte. Die Kosten dafür wären mit gut 32 Millionen Euro deutlich niedriger.
Diese Sanierungsvariante kommt jedoch nach Meinung eines weiteren Gutachters nicht infrage. Rainer Enßlin, Sachverständiger für Schadstoffe in Böden und Grundwasser, hatte die Deponien im Auftrag des Landkreises Potsdam-Mittelmark untersucht. Teilweise fanden sich die von R. abgekippten Kunststoffabfälle sogar unterhalb der Altabfälle oder in der grundwasserführenden Schicht. Außerdem stellte Enßlin fest, dass lösliche Schadstoffe aus dem Abfall bereits in die Sandschicht unterhalb eingesickert seien. Selbst wenn der Müll gesiebt würde, blieben also noch Rückstände. Stellenweise seien auch Spuren von Schwermetallen gefunden worden. Um festzustellen, inwieweit diese das Grundwasser bedrohen, müssten dauerhafte Messungen vorgenommen werden, so der Gutachter.
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