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Noch am Dienstag waren Kriminaltechniker stundenlang vor Ort. Am Mittwoch war die Stimmung in der Siedlung gedrückt.

© dpa

Potsdam-Mittelmark: Mutter gesteht Tötung ihres Neugeborenen

Warum die 34-Jährige ihren erst einige Tage alten Sohn erstickte, ist noch unklar. Das Amtsgericht erließ einen Haftbefehl

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Werder (Havel) - Nach dem Fund einer Babyleiche in Glindow ist die 34-jährige Mutter am Mittwoch festgenommen worden. Nach unbestätigten Angaben aus Ermittlerkreisen sollen Rettungssanitäter im Rachen des Babys ein Tuch gefunden haben, an dem es vermutlich erstickt ist. Nach Auskunft der Staatsanwaltschaft Potsdam ergab die Obduktion des Leichnams, dass der Junge bei seinem Tod erst wenige Tage alt war. Er sei „auf unnatürliche Art ums Leben“ gekommen, seine Leiche sei erst vor einigen Tagen in einem Schnellkompostierer abgelegt worden.

Die Mutter habe die Tat eingeräumt, teilte die Staatsanwaltschaft Potsdam am Mittwoch mit. Das Amtsgericht Potsdam erließ Haftbefehl wegen Totschlags. „Zum Motiv und zur familiären Situation können wir derzeit noch nichts sagen“, so ein Sprecher der Ermittlungsbehörde. Die Ermittlungen konzentrierten sich auf diese Fragen.

Am Dienstag kurz nach 12 Uhr hatte eine Bewohnerin des mit zwei Einfamilienhäusern bebauten Grundstücks in der Rosa-Luxemburg-Straße das in ein Tuch gewickelte Kind in einem Kompostierer im Garten gefunden und die Polizei alarmiert. Die Ermittler waren schnell darauf gekommen, dass eine 34-Jährige, die mit ihrem Lebenspartner bei dessen Großeltern auf dem Grundstück wohnt, die Mutter sein könnte. Am Tatort suchten Kriminaltechniker dann mehrere Stunden nach Spuren. Die Leiche wurde in einem kleinen Sarg in einem schwarzen VW-Bus von Polizeibeamten weggefahren.

Aus Sorge, die laut Ermittlern als psychisch labil geltende Frau könnte sich selbst umbringen, leitete die Polizei umfangreiche Suchmaßnahmen ein. Die Frau meldete sich dann am Nachmittag von einem Supermarkt-Parkplatz bei der Polizei und wartete dort auf die Beamten. Sie soll verstört gewesen sein und psychologische Betreuung erhalten haben.

Die Stimmung in der Wohnsiedlung am Glindower Ortsrand war gestern gedrückt. Eine Frau, die gleich neben dem Grundstück wohnt, sagte, sie könne „nur Liebes“ über die Nachbarn sagen. Es gebe ein freundliches Miteinander, man habe sich gegenseitig Sachen ausgeliehen. „Aber man steckt natürlich nicht in den Personen drin.“ Eine andere Nachbarin erklärte: „Das ist eine Familie wie jede andere“, und mutmaßte von Wochenbettdepressionen. Ein Ehepaar, dass in der Nähe wohnt, berichtete, das die Familie schon vor dem Fall „sehr viel durchgemacht“ habe, ohne Näheres ausführen zu wollen. Unverständnis herrschte im Quartier, wieso selbst in einer mutmaßlichen Notsituation nicht Hilfsangebote oder die Babyklappe genutzt werden. Doch viele in der Gegend wussten wenig von dem Kriminalfall und noch weniger von der Täterin und ihrem Umfeld.

Werders Bürgermeister Werner Große (CDU) nannte den Totschlag des Säuglings gestern „erschütternd und menschlich unfassbar“. „Unabhängig davon, wo das passiert ist, kann ich mir nicht vorstellen, wie man so etwas tun kann“, so der Bürgermeister gegenüber den PNN. Er sprach von einer „völlig unentschuldbaren Tat“.

Zuletzt war in Brandenburg im Februar vergangenen Jahres ein totes Baby in Borgsdorf (Oberhavel) gefunden worden. Es wurde in einer Plastiktüte auf dem Grundstück der Eltern der Mutter entdeckt. Die Mutter hatte das Kind allein zur Welt gebracht und hinter einem Schuppen versteckt. Im April 2013 erging gegen die 29-Jährige am Landgericht Neuruppin ein Urteil wegen Totschlags im minderschweren Fall.

Wegen einer psychischen Erkrankung sei die Steuerungsfähigkeit der Frau erheblich eingeschränkt gewesen, stellte das Gericht fest. Die Mutter, die zwei weitere Kinder hat, ist weiter auf freiem Fuß. Das Gericht sah keinen Haftgrund, zumal das Urteil noch nichts rechtskräftig ist. Die Frau hat gegen die Entscheidung Revision beim Bundesgerichtshof eingelegt.

Vor knapp zwei Jahren, am 23. Dezember 2011, war ein totes Neugeborenes in Potsdam-West an einem Garagenkomplex gefunden worden, eingewickelt in ein blutverschmiertes Handtuch. Die Gerichtsmediziner hatten festgestellt, dass das Mädchen zur Geburt lebensfähig war. Bis heute ist unklar, wer die Mutter ist. Ein heiße Spur gibt es bis jetzt nicht, hatte zuletzt eine Sprecherin der Potsdamer Staatsanwaltschaft bestätigt. Allerdings sei der Fall nicht zu den Akten gelegt, sagte die Sprecherin.

Derzeit würden in einem aufwändigen technischen Verfahren das Erbgut des getöteten Kinds untersucht. Daraus könnten die Ermittler möglicherweise Schlussfolgerungen ziehen, ob die Mutter Raucherin war oder ob sie an einem besonderen Arbeitsplatz häufig tätig war. So könnten sich neue Hinweise ergeben, hoffen die Ermittler. (mit HK und axf)

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