Potsdam-Mittelmark: Nachwehen im Krankenhaus
Landkreis muss beim Gericht bis Freitag Stellungnahme zum Verkauf abgeben / „Lex Johanniter“? / Millionen-Honorar für Berater
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Potsdam-Mittelmark - Bis kommenden Freitag muss die mittelmärkische Kreisverwaltung am Potsdamer Verwaltungsgericht eine Stellungnahme zum Verkauf des Kreiskrankenhauses Belzig abgeben. Wie berichtet, hatte die Awo Sachsen-Anhalt als unterlegene Kaufinteressentin eine einstweilige Verfügung beantragt und den Verkauf an die Treuenbrietzener Johanniter-Krankenhaus gGmbH gestoppt. Die Johanniter hatten in der Vorwoche nach einer knappen Mehrheitsentscheidung des Kreistages den Zuschlag für das Belziger Krankenhaus bekommen.
Die Awo will nun rechtlich geprüft wissen, ob Transparenz und Gleichheitsgebot in dem Bieterverfahren gegeben waren. Denn nach einer vom Landratsamt in Auftrag gegeben Expertise, die sich mit den Angeboten und Konzepten der letztlich drei ausgewählten Bieter beschäftigte, fand sich die Bewerbung der Awo auf Platz Eins.
Bereits der Verkauf des finanziell angeschlagenen Krankenhauses war heftig umstritten. Die Linke lehnt ihn kategorisch ab. In der SPD kam es zu heftigen Überwerfungen bei der Frage des Verkaufs und nannte letztlich die Awo als „Wunschkandidat“. Auch die Grünen empfahlen – wenn schon verkauft werden sollte – den Bewerber aus Sachen-Anhalt. Die CDU warb für die Johanniter.
Nach der Entscheidung fragt man sich nun, warum der Kreis ein Millionen-Honorar für Berater und Gutachter ausgibt, wenn deren Empfehlung letztlich die Abstimmung im Kreisparlament nicht besteht und ein wirtschaftliches und juristisches Prüfergebnis durch eine politische Entscheidung ersetzt wird. Tagessätze zwischen 1400 und 2400 Euro zahlte der Kreis den teuren Beratern der Berliner Stobbe, Nymoe & Partner Consult GbR (SNP), auch der Potsdamer Anwalt Matthias Dombert wurde vom Landratsamt engagiert. Die Höhe des gesamte Honorars schwankt zwischen 1,2 und 1,6 Millionen Euro. Es umfasst die Begleitung des Bieterverfahrens, die Bewertung und Analyse der Angebote, das Gestalten von Vertragsentwürfen sowie Vertragsverhandlungen.
Sicher war man sich im Landratsamt nicht, ob man so viel Geld für Gutachten und Beratungen ausgeben kann, um am Ende doch nicht der Empfehlung der hoch bezahlten Fachleute zu folgen. Daher hatte man von der Kommunalaufsicht des Innenministeriums prüfen lassen, ob eine eventuelle Klage – wie sie nun unter Umständen die Awo anstrebt – Erfolg haben könnte. Weil das Innenministerium die Erfolgschancen verneint, sieht man in der Führungsriege des Landratsamts einer rechtlichen Prüfung des Verkaufs gelassen entgegen. „Ich wär mir da nicht so sicher“, meint hingegen ein Sozialdemokrat gegenüber den PNN.
Bei den Linken ist der Argwohn noch viel größer. Dort schürt man den Verdacht, dass die wirtschaftliche Schieflage des Kreiskrankenhauses „nicht ganz zufällig“ entstanden ist. Man habe sich bewusst ins flache Fahrwasser manövriert, „um Gründe für eine Privatisierung zu haben“, orakeln Kathrin Menz und Thomas Singer an der Fraktionsspitze der Linken. Der rasante Wechsel von den schwarzen in die roten Zahlen der Krankenhaus-Gesellschaft ist den Linken suspekt. Erst die Dokumente für den Verkauf würden den Abgeordneten nun erstmals eine „tiefe Prüfung“ ermöglichen. Sicherheitshalber haben die Linken eine zehnjährige Vernichtungssperre für die Unterlagen durchgesetzt.
Auch die Vergabe des Beratervertrages an die Kanzlei Dombert und die SNP Consult sehen die Linken kritisch. „Das ist eigenartig gelaufen“, meint der Stahnsdorfer Kreistagsabgeordnete Harald Mushack. Sowohl die Kurzfristige Auftragvergabe wie auch das „zu hohe“ Salär gelte es noch zu prüfen.
Suspekt erscheint der Links-Fraktion auch die Nähe von Dombert und des SNP-Beraters Friedrich von Kessel zu den Johannitern. Beide waren Mitglied im Kuratorium der Johanniterheime Berlin. Von Kessels Vetter – Thomas von Kessel – ist Geschäftsführer des Johanniter-Krankenhauses in Bonn. Befangen habe das die beiden Berater nicht gemacht. Er wüsste nicht, was Bonn und Belzig miteinander zu tun hätten, meinte Thomas von Kessel gestern gegenüber den PNN. Und „um jeden bösen Anschein zu vermeiden" hatten Dombert und Friedrich von Kessel nach eigenen Angaben noch vor der Abgabe der ersten Angebote im Bieterverfahren für das Kreiskrankenhaus im März ihre ehrenamtlichen Funktionen im Kuratorium der Johanniterheime Berlin niedergelegt. Zudem hätten sie über ihre Tätigkeit für die Johanniter Landrat Lothar Koch (SPD) vor Erteilung des Bewertungsauftrags im letzten Sommer informiert. Dass Koch dies zunächst verschwieg, nennt CDU-Kreistagsfraktionschef Rudolf Werner „ungeschickt“. Eine „Systemnähe“ könne man den Beratern jedoch „bei bestem Willen“ nicht unterstellen.
Für Werner ist das Plädoyer der CDU für den letztlich beschlossenen Verkauf an die Johanniter eine „politische Entscheidung“. Die Gutachter hätten kaum Unterschiede zwischen den Bewerbern aufgezeigt. SPD-Fraktionschefin Andrea Grochtmann sieht das völlig anders. „Die Awo war um Längen besser.“ Grünen-Sprecher Martin Köhler meint sogar, dass die Awo „noch besser hätte bewertet werden müssen“. Beim Studium der Akten sei der Eindruck entstanden, dass sich durch das gesamte Verfahren eine Art „Lex Johanniter“ gezogen habe. Die Angebote der Awo und auch des privaten Bieters Asklepios seien so viel besser, dass es den Grünen völlig unverständlich erscheint, „wie die Johanniter überhaupt den Sprung ins Finale schaffen konnten“.
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