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Unbeschwert groß werden. Viele Kitaerzieher sehen Nachholbedarf beim Kinderschutz.

© dpa

Potsdam-Mittelmark: „Netzwerken“ gegen häusliche Gewalt

80 Erzieher und Tagesmütter beraten bei Fachtagung in Teltow die neue Rechtslage beim Kinderschutz

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Teltow - Das Kindeswohl hat oberste Priorität. Deshalb sollte der Kinderschutz nicht erst einsetzen, wo etwas passiert ist, so das Fazit von Jörg Maywald auf dem Fachtag zum Thema Kinderschutz, der am Samstag im Teltower Rathaus stattgefunden hat. Maywald ist Sprecher der „National Coalition“ zur Umsetzung der UN-Kinderrechtskonvention und empfahl den etwa 80 Teilnehmern am Schluss der Veranstaltung, über die Haltung zu Kindern nachzudenken. Hilfreich sei der Blick zurück: „Wie ging es uns als Kind?“

Erzieher und Tagesmütter aus der Region waren der Einladung des Kita-Eigenbetriebes und der Kinderwelt GmbH gefolgt. Den Anlass gab das seit diesem Jahr geltende Bundeskinderschutzgesetz. Kooperation und Information sind die Kernpunkte des Gesetzes: Es regelt, wie Eltern über Unterstützungsangebote zur Kindesentwicklung informiert werden und schafft Rahmenbedingungen für Netzwerke. Zudem regelt es die Beratung und die Übermittlung von Informationen durch Geheimnisträger wie Ärzte und Lehrer bei Gefährdungen des Kindeswohls.

Unterm Strich geht es darum, in schwierigen Familiensituationen möglichst früh zu helfen – mehr „netzwerken“ also, damit kein Kind ohne Hilfe bleibt, so lautete eine Erkenntnis aus den Workshops. Weil Kitas und Kindertagespflegepersonen an vorderster Front stehen, wenn es darum geht, häusliche Gewalt, Verwahrlosung und Vernachlässigung von Kindern zu erkennen, sind sie wichtige Webfäden in diesem Netz.

In den Workshops ging es um die Frage, wie Kindeswohlgefährdungen erkannt und mit Verdachtsmomenten umgegangen werden kann. Erzieher berichteten aus ihrer Praxis von überforderten Eltern, die sich nicht mit ihrem Nachwuchs beschäftigen, im schlimmsten Fall ihre Kinder sogar schlagen. Eine Potsdamer Erzieherin erzählte, dass ein Vater regelmäßig mit wahrnehmbarer Alkoholfahne kam, um seine Tochter abzuholen. Anfangs habe er den Verdacht abgestritten, erst nach Gesprächen mit der Mutter des Kindes habe sich etwas geändert.

Solche Situationen haben auch andere Erzieherinnen erlebt, teilweise wurden Eltern sogar handgreiflich, wenn Erzieher sie auf Alkoholprobleme ansprachen. Diskutiert wurde, ob eine Kündigung des Vertrages in solchen Fällen die Lösung sei, da ja das Kindeswohl Priorität haben müsse. Eine Möglichkeit sieht die Werkleiterin des Teltower Kita-Eigenbetriebes, Solveig Haller, darin, Betreuungsverträge so zu gestalten, dass die Einrichtung Kinder nicht übergeben muss, falls Eltern unter Alkoholeinfluss stehen. Sie müssten dann für den Abhol- und Bringedienst Ersatz beschaffen. Bestandteil des Vertrages sollten künftig auch Kinderrechte sein, sagte Haller.

Probleme bereiten auch aggressive Kinder, die ganze Gruppen tyrannisieren und die schon knappen personellen Ressourcen belasten. Einige Erzieher meinten, in solchen Situationen müsse abgewogen werden, ob das Wohl der anderen Kinder überwiege, um sie vor Schlägen zu schützen. Eine Option könne sein, den Vertrag zu kündigen. Diskutiert wurde auch, dass einige Eltern oft nicht in der Lage seien, mit Konflikten umzugehen, weil sie selbst als Kind keine positiven Konflikterfahrungen gesammelt hätten. Oftmals müssen sie mühsam lernen, mit Zuversicht durchs Leben zu gehen. Da Erzieher regelmäßig Kontakt zu Eltern haben, sollten sie bei solchen Anzeichen das Gespräch suchen, um geeignete Hilfen zu vermitteln, riet Hans Leitner, Leiter der Fachstelle Kinderschutz. Kinder vor Gefahren zu schützen, gehöre zu den Pflichtaufgaben jeder Kita.

„Gemeinsam versuchen Bund, Land und Kommunen, die Zahlen für Missbrauch und Verwahrlosung weiter zu senken“, resümierte Solveig Haller. „Unsere Erzieher und Pädagogen stehen hier mit an vorderster Front.“ Der Fachtag habe geholfen, die Probleme ganz konkret anzugehen.

Kirsten Graulich

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