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Innenministerium überrumpelt Kommune: Neue Asyl-Erstaufnahme in Schwielowsee
Brandenburg will wegen des starken Flüchtlingszustroms kurzfristig 300 Menschen in Ferch unterbringen. Dort ist man überrascht, Kritik kommt auch vom Flüchtlingsrat.
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Schwielowsee / Berlin - Das überfüllte Erstaufnahmelager für Flüchtlinge in Eisenhüttenstadt bekommt eine dritte Außenstelle. Voraussichtlich ab 1. Oktober könne ein ehemaliges Wohnheim der Bundeswehr im Schwielowsee-Ortsteil Ferch (Potsdam-Mittelmark) bezogen werden, teilte das Innenministerium am Freitag mit. 300 Plätze sollen geschaffen werden, vorwiegend für Familien. Die Behörden stehen offenbar wegen des starken Anstiegs der Flüchtlingszahlen enorm unter Druck. Nach Darstellung des brandenburgischen Innenministeriums ist die Immobilie mit vier Gebäuden im Fercher Gewerbegebiet das einzige Objekt, das kurzfristig in Betrieb genommen werden könne.
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Die Erstaufnahmeeinrichtung in Eisenhüttenstadt arbeitet – wie berichtet – an der Belastungsgrenze, die Kommunen haben Probleme, Unterkünfte bereitzustellen, das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge (BAMF) kommt mit der Bearbeitung der Asylanträge kaum hinterher. In diesem Jahr verdoppelt sich die Zahl der neuankommenden Flüchtlinge auf 6000. Die Lösung in Ferch kann die Lage nur leicht entspannen, seit Wochen sucht das Innenministerium nach Standorten für eine Außenstelle, darunter ist auch die ehemalige Lausitzkaserne in Doberlug-Kirchhain (Elbe-Elster) mit 800 Plätzen. „Es ist unsere humanitäre und moralische Pflicht, Menschen aufzunehmen, die Schutz vor Krieg und Verfolgung suchen“, sagte Innenminister Ralf Holzschuher.
Der Flüchtlingsrat Brandenburg kritisierte am Freitag das Vorgehen des Ministeriums. Derartige Hauruckaktionen seien tödlich für die Willkommenskultur in den Kommunen, sagte Sprecherin Ivana Domazet. Dabei gebe es in Brandenburg durchaus eine große Bereitschaft, Flüchtlinge aufzunehmen und ihnen zu helfen. Skeptisch zeigte sich Domazet, ob das abgelegene Fercher Gewerbegebiet ein geeigneter Standort für die Erstaufnahme ist.
Auch in Schwielowsee zeigte man sich von der Ankündigung gestern überrascht. Von dem neuen Erstaufnahmelager in ihrer Gemeinde hat Bürgermeisterin Kerstin Hoppe (CDU) nach eigenen Angaben erst wenige Stunden vor einer Pressemitteilung des Ministeriums telefonisch von Innenminister Ralf Holzschuher (SPD) erfahren. Sie sehe die Verpflichtung, Flüchtlingen aus Kriegs- und Krisengebieten zu helfen, sagte Hoppe. Sie kritisierte aber, dass sie auf diese Art erst wenige Tage vor dem Start von den Plänen erfahre.
Indes hat Baden-Württembergs Ministerpräsident Winfried Kretschmann gegen den Widerstand fast der gesamten Grünen-Führung im Bundesrat den Weg für eine Reform des Asylrechts freigemacht. Das neue Asylrecht stuft Serbien, Bosnien-Herzegowina und Mazedonien als „sichere Herkunftsländer“ ein. Flüchtlinge von dort können jetzt nur noch in seltenen Ausnahmen Asyl bekommen. Die Bundesregierung hat im Gegenzug angeboten, die Lebensbedingungen von Asylbewerbern in Deutschland zu verbessern. So sollen Flüchtlinge nach 15 Monaten freien Zugang zum deutschen Arbeitsmarkt haben und Hilfen in Geld statt als Sachleistungen erhalten. Die Residenzpflicht, die Asylbewerber auf ihren zugewiesenen Landkreis beschränkt, soll in der Regel entfallen. Der Bund stellte auch weitere Finanzhilfen für Städte und Gemeinden in Aussicht. Die Grünen und Flüchtlingsverbände kritisierten die Entscheidung.
Brandenburgs Sozialminister Günter Baaske (SPD) forderte indes mehr Personal auf Bundesebene. Das Bundesamt für Flüchtlinge und Migration sei personell nicht ausreichend ausgestattet, um die Asylverfahren zügig zu bearbeiten, sagte er am Freitag in Potsdam. „Teilweise dauert es Wochen, bis überhaupt eine Akte angelegt und der Asylantrag offiziell gestellt ist.“ (mit axf)
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