Potsdam-Mittelmark: Neue Industrieanlagen verboten
Große Teile von Geltow sind zum Wasserschutzgebiet erklärt worden. In der Schutzzone befindet sich auch ein Abfallunternehmen
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Schwielowsee / Potsdam - Was in Ferch derzeit für Proteste sorgt, ging in Geltow völlig geräuschlos über die Bühne: Der halbe Ort ist im vorigen Jahr zum Teil des Wasserschutzgebietes für das Potsdamer Wasserwerk in Wildpark-West erklärt worden. Es ist eines der fünf Potsdamer Wasserwerke, mit dem der Westen der Landeshauptstadt und auch Geltow selbst mit Trinkwasser versorgt werden. Die entsprechende Verordnung trägt das Datum 2. Mai 2012, die IG Erholungsort Geltow stieß erst bei Recherchen zum umstrittenen Standort der Firma Richter Recycling auf das Dokument.
Ein Entwurf wurde zwar vor vier Jahren ordnungsgemäß im Fercher Rathaus ausgelegt, eine Diskussion in der Gemeinde gab es aber nicht – und auch keine Stellungnahme der Verwaltung, wie aus dem Rathaus bestätigt wurde. Auch die Firma Richter wurde nicht befragt, wie Geschäftsführer Jens Bahnemann den PNN erklärte. „Das hat uns auch gewundert.“ Das Firmengelände liegt in der Schutzgebietzone, in der solche Unternehmen an sich verboten sind.
Vom brandenburgischen Umweltministerium wurde das Prozedere auf PNN-Anfrage bestätigt. Für 35 Prozent der Wasserschutzgebietsflächen des Landes seien die in der DDR festgelegten Grenzen bereits den fachlichen und juristischen Anforderungen der Gegenwart angepasst worden, so Ministeriumssprecherin Alrun Kaune-Nüßlein. Die Wasserschutzzone Potsdam-Wildpark endete zuvor noch außerhalb der Geltower Ortslage, nur ein Eckchen östlich des Kuckucksweges gehörte zum Schutzgebiet. Mit diesen seit 1975 geltenden Grenzen konnte für die Zukunft kein ausreichender Schutz des Wasservorkommens mehr gewährleistet werden, so Kaune-Nüßlein. Mit der neuen Schutzzone sei nun das „gesamte unterirdische Einzugsgebiet der Wasserfassung“ einbezogen worden.
Das erweiterte Schutzgebiet ist neben der Kernzone II um das Wasserwerk in zwei weitere Zonen, III a und III b, eingeteilt worden, in denen jeweils abgeschwächte Auflagen zum Grundwasserschutz gelten. Der Norden Geltows wurde Teil der Zone III b, in der immerhin noch Baugebiete ausgewiesen werden dürfen. Das Düngen und Beregnen, Salzstreuen im Winter, der Betrieb von Klärgruben, Bau von Geothermieanlagen, die Erweiterung militärischer Anlagen, die Viehhaltung oder Waldumwandlung ist indes nur mit massiven Einschränkungen oder gar nicht mehr möglich. Die offene Abfalllagerung oder Behandlung und die Ausweisung neuer Industriegebiete ist verboten.
Letzteres hat die Gemeinde allerdings getan, als sie das Gelände der Firma Richter im neuen Flächennutzungsplan vom Mischgebiet erst im Herbst zum Sondergebiet umwandelte, um den Standort zu sichern, kritisiert Heiko Schmale von der IG Erholungsort. „Dass Geltow da schon Teil eines Wasserschutzgebietes war, ist an den Bürgern völlig vorbeigegangen.“ Die Initiative kämpft gegen den Krach einer Siebanlage, von Schreddern, Containerwechseln und schweren Fahrzeugen. Sie hat zur neuen Situation die Untere Wasserbehörde in Bad Belzig befragt, die für die Einhaltung der Auflagen in Wasserschutzgebieten zuständig ist. Die Antwort hat der IG nicht gefallen. Die Befürchtung, dass schadstoffbelastetes Wasser im Boden versickert, wurde aus Bad Belzig als unbegründet zurückgewiesen.
Aus Sicht der Unteren Wasserbehörde genießt der Firmenstandort ohnehin Bestandsschutz, zumal hier keine gefährlichen Abfälle behandelt würden, wie Fachdienstleiterin Birgit Kusza den PNN bestätigte. Frühere Betriebsgenehmigungen aus den Jahren 2006 und 2009 würden durch die neue Trinkwasserschutzzone nicht ihre Rechtskraft verlieren. Die Behörde hat sogar einem unlängst gestellten Erweiterungsantrag der Firma zugestimmt – unter gewissen Auflagen, wie Kusza betont. Wassergefährdende Stoffe müssen demnach auf einer wasserundurchlässigen Fläche behandelt werden, die Anlagentechnik alle fünf Jahre überprüft werden. Abschließend hat das Landesumweltamt über die Firmenerweiterung zu befinden. Statt derzeit 50 000 Tonnen sollen künftig fast 70 000 Tonnen Schutt und Recyclingabfälle pro Jahr hier sortiert und für die Weiterverarbeitung vorbereitet werden.
Richter-Geschäftsführer Jens Bahnemann ist zwar verwundert, nur über Umwege von der neuen Wasserschutzzone erfahren zu haben. „Sonst hätten wir uns eine Ausnahmegenehmigung besorgt.“ So oder so betreffe das Verbot von Industrieanlagen aber nur neue Firmenstandorte. „Wir haben Bestandsschutz.“ Zur neuen Situation habe man sich mit der Unteren Wasserbehörde geeinigt: Die einzigen gefährlichen Stoffe, die auf dem Firmengelände zwischengelagert aber nicht behandelt würden, seien Asbestdachpappe und Holz. Sie würden in gedeckelten Containern gelagert. „Da kann nichts ausspülen.“ Auch die Lagerung von Altöl und Frischöl auf dem Firmengelände in gesicherten Behältern sei mit der Unteren Wasserbehörde bei einem Vor-Ort-Termin abgestimmt worden. „Wir haben alle Probleme im vernünftigen Ton klären können.“
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