
© A. Klaer
Noch im Dornröschenschlaf: Neue Pläne für verfallene Hautklinik am Güterfelder Eck
Die einstige Hautklinik in Stahnsdorf verfällt seit Jahren – und ist beliebtes Fotomotiv. Nun gibt es Ideen für eine Nutzung.
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Stahnsdorf - Es knirscht bei jedem Schritt. Glassplitter lösen sich von der Schuhsohle, um sich auf staubigen Holzbohlen erneut mit Resten von Papier und Putz zu verbinden. Ausgehangene Türen verengen den kahlen, dunklen Gang, in dem es modrig riecht. Das Leben ist schon lange aus den ehemaligen Patientenzimmern gewichen. Seit mehr als 20 Jahren steht die ehemalige Hautklinik am Güterfelder Eck leer. Nun machen neue Nutzungsideen die Runde. In einem 100-seitigen Papier zu altersgerechten Wohnformen in der Gemeinde taucht auch das 1912 von dem jüdischen Arzt Walter Freymuth errichtete und heute denkmalgeschützte Gebäude als möglicher Standort auf.
Mit den Überlegungen für eine neue Nutzung werden aber auch alte Probleme wieder offenbar. Seit Jahren versuchen Projektentwicklerin Petra Reinholz und Erben-Vertreter Karl Albrecht das Haus zu vermarkten – und stoßen dabei an die immer gleichen Grenzen. „Wöchentlich habe ich bis zu 15 Anfragen“, erklärt die Blankenfelder Immobilienmaklerin Reinholz. Mehrheitlich sei Neugier die Triebfeder der Interessenten. Ernstzunehmende Anfragen scheitern regelmäßig an den Festlegungen im Flächennutzungsplan – und am Lärm.
„Eine neue Nutzung ist nur möglich, wenn die Gemeinde einen Bebauungsplan auflegt und im Flächennutzungsplan das Nutzungsrecht für das Haus ändert“, erklärt Albrecht. Derzeit sei das Areal nach Angaben von Gemeindesprecher Stephan Reitzig als Hotel, Bildungs-, Kultur- oder medizinische Einrichtung festgelegt. „Für eine seniorengerechte Nutzung müsste abgeklärt werden, welchen Anteil die medizinische Betreuung am Gesamtkonzept hat“, sagte er.
Schnellstraße unmittelbar an der Klinik
Karl Albrecht winkt ab. Aus der Klink ein Wohnhaus für Senioren zu machen, sei keine ernstzunehmende Idee. Die Investitionskosten für die Sanierung des denkmalgeschützten Hauses würden sich bei etwa sechs Millionen Euro bewegen. Die ehemaligen Patientenzimmer links und rechts des Ganges in dem etwa 100 Meter langen und gerade acht Meter breiten Gebäude sind kaum elf Quadratmeter groß. Schon allein eine integrierte behindertengerechte Toilette verschlinge diesen Platz, sagt Reinholz. Wände müssten durchbrochen, Zimmer zusammengelegt werden, auf den 3000 Quadratmetern Bruttogeschossfläche ließen sich dann etwa 25 Zimmer unterbringen. „Eine Rentabilität ist damit nicht gegeben“, erklärt Albrecht. Dies sei nur über einen zusätzlichen Neubau zu gewährleisten. Das Problem: Die Fläche, die Albrecht zufolge dafür in Frage käme, liegt heute im Landschaftsschutzgebiet und müsste dort herausgelöst werden.
Zudem zieht sich dort, wo früher ein Gewächshaus stand und Gemüsebeete zur Versorgung der Patienten angelegt waren, heute teilweise eine neue Straße durch den einstigen Garten. Das ursprünglich rund 48 000 Quadratmeter große Areal ist durch den Bau der neuen L40 nicht nur deutlich auf etwa 30 000 Quadratmeter geschrumpft, sondern hat auch weiter an Attraktivität eingebüßt. Wo einst Lungenkranke Ruhe und Erholung an frischer Luft und inmitten der Natur fanden, dringen heute ungefiltert Abgase durch lichte Alleen und zerborstene Fenster.
Rund 50 000 Autos rauschen heute täglich auf der neuen Schnellstraße unmittelbar an der Klinik vorbei, sagt Reinholz. Lärmschutzwände vor dem Gelände, das seit dem Bau der Landesstraße auf einer Insel eingeschlossen von Verkehrsachsen und abgeschnitten von der Außenwelt im Dornröschenschlaf liegt, gibt es nicht. Bis auf 15 Meter ist die Straße, die Potsdam mit dem Großflughafen BER verbindet, an das einstige Klinikgebäude herangerückt. Weil das Haus seit 1994 faktisch nicht mehr bewohnt war, hat es weder Schallschutz- noch Lärmschutzmessungen gegeben, klagt Albrecht. Ohne schützende Kulisse ist es im Haus und dem ihm umgebenen, teils ebenfalls denkmalgeschützten Park mit Liegehalle und Wirtschaftsgebäude entsprechend laut.
Genehmigung für die Sondernutzung beim Ministerium
Acht Jahre lang setzte sich die in den USA lebende Erbin, Ursula Freymuth, gegen den Planfeststellungsbeschluss zur Wehr. Doch ihre Klage auf ein Verfahren wurde abgelehnt. Albrecht erwägt nun, gegen die wirtschaftliche Enteignung vorzugehen. Der Bau der Straße habe viele Möglichkeiten einer neuen Nutzung zunichte gemacht. Die betagte, bereits über 80-jährige Erbin hätte bis auf eine kleine Entschädigung bislang nur Kosten gehabt. Heute glaube sie kaum noch, dass sie eine Wiedererrichtung des vor mehr als 100 Jahren gebauten Klinikgebäudes noch erlebt.
Das Haus ist dem Verfall preisgegeben, es laufen ungezählte Anzeigen wegen Hausfriedensbruchs, sagt Albrecht. Der Vandalismus nehme stetig zu, Ruinentouristen reisen selbst aus Kanada oder Australien an. Aus dem verlassenen Haus verschwindet mehr und mehr Inventar, zuletzt ein Klavier. Kaum ein Fenster oder eine Tür, wo nicht die Riegel fehlen, sagt Reinholz. Farbige Graffitis überdecken alte, mit Blumen-Ornamenten verzierte DDR-Tapeten. Aus den Wänden gebrochene Keramik liegt zerschlagen am Boden, teils haben sich lange Papierfetzen um die Bruchstücke alter Waschbecken gewickelt. Zerschlissene, vergilbte Gardinen hängen an eingeschlagenen Fenstern herunter und bedecken sie nur noch halbherzig. Die Zeit nimmt dem „Haus Elisabeth“ die Würde.
Albrecht hofft, dass es mit Hilfe der Gemeinde gelingt, das ins Auge gefasste, etwa 12 000 Quadratmeter große und früher gärtnerisch genutzte Areal aus dem Landschaftsschutzgebiet herauszulösen, um das Interesse von Investoren zu wecken und überhaupt eine Option auf eine neue Nutzung zu erhalten – ob nun als Klinik, Betreuungseinrichtung oder Wohnobjekt. Dazu müsse aber die Gemeinde baurechtlich die Voraussetzungen schaffen und eine Genehmigung für die Sondernutzung beim Ministerium einholen.
Die Stahnsdorfer Verwaltung will sich nun zunächst mit der 100-seitigen Abhandlung auseinandersetzen, die eine mehrköpfige Arbeitsgruppe im Auftrag der Gemeinde im vergangenen Jahr in fünf Gruppensitzungen erstellt hat. In dem Konzept wurde der Bedarf an seniorengerechtem und barrierefreiem Wohnraum erfasst sowie eine Rangliste geeigneter Grundstücke benannt. Nachdem das Konzept nun zunächst den Gemeindevertretern vorgelegt worden ist, soll in einem weiteren Schritt mit dem Eigentümer der Flächen an der Hildegardstraße gesprochen werden, so Gemeindesprecher Stephan Reitzig. Diese Flächen stehen noch vor der ehemaligen Hautklinik und den Grundstücken in den Schmalen Enden als potenzielle Grundstücke für den Neubau seniorengerechter Wohnungen auf der Prioritätenliste ganz oben.
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