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Von Thomas Lähns: Nicht immer meisterhaft
Handwerkskammer verzeichnet Zuwachs vor allem in zulassungsfreien Branchen / 3700 Betriebe im Kreis
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Potsdam-Mittelmark - Aufschwung im mittelmärkischen Handwerk: Im vergangenen Jahr wurden wieder mehr Betriebe gegründet als aufgegeben – unterm Strich ein Wachstum von 103 Unternehmen. Das hat die Handwerkskammer Potsdam jetzt mitgeteilt. Die Gesamtzahl der Mitglieder aus dem Landkreis liegt nun insgesamt bei knapp 3700. „Das kontinuierliche Wachstum spricht für die Attraktivität des Handwerks“, wertete Kammer-Geschäftsführer Wolfgang König die Entwicklung. Allerdings sei der Zuwachs überwiegend in den zulassungsfreien und handwerksähnlichen Gewerken zu verzeichnen – und das werde sich langfristig negativ auswirken.
Seit 2003 dürfen unter anderem Orgelbauer, Buchbinder, Parkett- und Fliesenleger sowie Gebäudereiniger auch ohne Meisterbrief einen Betrieb gründen. Der Bund hatte die Handwerksordnung novelliert und die Zulassungspflicht für 53 der damals insgesamt 94 Meister-Berufe aufgehoben. Das hat dazu geführt, dass sich Facharbeiter und sogar ungelernte Kräfte selbstständig machen, um überhaupt Arbeit zu haben. Sie können als Ein-Mann-Betriebe aber auch niedrigere Preise anbieten und machen den Traditionsunternehmen Konkurrenz.
Im Potsdamer Kammerbezirk sind nur noch 56 Prozent der über 17 0000 Handwerksetriebe zulassungspflichtig, erläutert Ralph Bührig, Abteilungsleiter für Recht bei der HWK. Dazu gehören Traditionsgewerke wie Zimmerer, Maurer, Klempner, Dachdecker oder Tischler. Gut 20 Prozent seien heute nicht mehr zulassungspflichtig, würden aber zum Teil noch von altgedienten Meistern geführt. Der Rest entfällt auf das „handwerkähnliche Gewerbe“. „Bei den Fliesenlegern und den Gebäudereinigern sind die Zahlen im vergangenen Jahr exorbitant gestiegen“, sagt er. Kein Wunder: Hier muss niemand mehr Bücher wälzen und Tausende Euro für die Meisterschule zahlen. Zwar biete die HWK auch in diesen Branchen weiterhin diese Qualifizierung an, doch seien die Teilnehmerzahlen rückläufig. „Dadurch sinkt langfristig auch die Zahl an Ausbildungsplätzen“, so Bührig.
Verliert das Handwerk seinen goldenen Boden? Fliesenleger in der Region beobachten die Entwicklung mit Sorge. „Wo soll in 20 Jahren der Nachwuchs herkommen?“, fragt auch Axel Kühne, Fliesenleger aus Michendorf. Er selbst hat 1996 seinen Meister gemacht und ein Jahr später mit einem Partner eine GbR gegründet. Zeitweilig hat er auch Lehrlinge ausgebildet, doch mittlerweile lohne sich das einfach nicht mehr. Es würden viele Laien auf den Markt drängen, und durch die Konkurrenz rutscht der Stundenlohn nach unten – während die Materialkosten steigen. Den Kunden gehe es eher um kleine Preise als um fachliche Reputation, so Kühne, und das trotz möglicher Mängel. „Nach dem Meisterbrief wird da eher weniger gefragt.“ Trotzdem bereut Axel Kühne nicht, dass er ihn erworben hat: „Man arbeitet sicherer und kann Probleme besser lösen.“ Und die Auftragslage habe sich für ihn auch gut entwickelt.
Meisterbrief oder nicht – bei den Gebäudereinigern spiele diese Frage indes eine geringere Rolle, sagt Matthias Karstedt, Obermeister der Gebäudereinigerinnung Westbrandenburg. „Im Prinzip müsste jedes Handwerk eine Zulassungspflicht haben, aber daran kann man nicht fest machen, wer gute Arbeit leistet.“ Karstedt unterstreicht, dass die 42 Mitgliedsbetriebe seiner Innung seriös arbeiten. Und das wird für sie zum Wettbewerbsnachteil, denn das Problem lauert außerhalb der Innung: Schwarze Schafe unterlaufen die Mindestlöhne und können so Aufträge ergattern. „Es herrscht ein permanenter Preiskampf“, so der Obermeister.
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