Potsdam-Mittelmark: Nicht immer schmeichelhaft
Hartmut Röhn edierte im Lukas Verlag Werderaner Stadtgeschichte
Stand:
Werder (Havel) - Ferdinand Ludwig Schönemann ist kein Unbekannter. Vor allem für den, der sich Theodor Fontanes Bericht über Werder in den „Wanderungen durch die Mark Brandenburg“ zu Gemüte geführt hat. Der Dichter bezieht sich während seines Besuchs auf der Inselstadt immer wieder auf den Werder-Chronisten Schönemann und zitierte vor allem die nicht immer sehr schmeichelhaften Charakteristika über die Werderschen. Beispielsweise dass sie Fremde unter sich nicht gern aufnehmen. „Die Kinder werden bis zum achten oder neunten Jahre in die Schule geschickt, lernen etwas lesen, wenig schreiben und noch weniger rechnen.“ Doch frühzeitig werde den Kindern „die Liebe zur Arbeit mit der Muttermilch“ eingeflößt.
Dem Werderaner Germanisten Hartmut Röhn ist das Verdienst zuzuschreiben, dass er innerhalb der „Studien zur brandenburgischen und vergleichenden Landesgeschichte“ im Lukas Verlag Berlin jetzt die Schönemannsche Werder-Chronik „Diplomatische und Topographische Geschichts-Beschreibung der Churmärkischen Mediat-Stadt Werder“ mit hilfreichen ergänzenden Materialien veröffentlichte, nämlich in dem Buch „ernsthafte Beyträge zur Geschichte der Stadt Werder“. Hartmut Röhm greift in seinem Buch auf die umfangreiche und verdienstvolle Recherche-Arbeit von Balthasar D. Otto (1934-2004) zurück. Mit seinen historischen Kenntnissen und unablässigen Nachforschungen hat er bis zu seinem Tod das historische Bild der Inselstadt kompetent und bildhaft dargestellt. In neuer Qualität.
Die Schönemanns hatten in der zweiten Hälfte des 18. Jahrhunderts eine bevorzugte, doch auch widersprüchliche Stellung in Werder inne. Der Verfasser der Geschichtsschreibung von 1784, Ferdinand Ludwig Schönemann, war der Sohn des Bürgermeisters Johann Christian Schönemann. Ferdinand Ludwig war Akziseeinnehmer, später Stadtschreiber und für das Aktenarchiv der Inselstadt verantwortlich. Gewidmet hat Schönemann seine Arbeit dem Prinzen Friedrich Wilhelm von Preußen, dem späteren König Friedrich Wilhelm II., dass er möge „auf den Verfasser derselben und diesen Ort ein huldreiches Auge“ werfen. Der Autor hat in unendlicher Kleinarbeit die Geschichte Werders erforscht. Die Akten, die ihm im Rathaus unmittelbar zur Verfügung standen, hat er klug und weidlich für seine Erkundungen und Erkenntnisse ausgenutzt. Und somit hat Schönemann wichtiges Quellenmaterial zur heutigen Erforschung der Stadtgeschichte geliefert. Hartmut Röhn hat sich dem Text angenommen und führt den Leser mit einer kundig geschriebenen Einführung in die Stadtchronik ein.
Aufnahme fanden darin auch des Oberpredigers Johann Adolph August Haenschs „Beschreibung der Stadt Werder und der Dörfer Glindow und Petzow“ aus dem Jahre 1852 sowie ein Erinnerungsblatt mit 16 lithografischen Darstellungen Werderaner Ansichten und Umgebung (1870), von dem Werderaner Kantor Wilhelm Oeser geschaffen. Nicht nur die Oeser-Lithografien entdeckte Balthasar D. Otto, auch Haenschs Stadtbeschreibung holte er wieder aus der Versenkung hervor, um sie 1997 zu veröffentlichen. Kein gedrucktes Buch wurde daraus, sondern es erschien als fotomechanisch vervielfältigte Ausgabe.
Pfarrer Haensch hat seine umfangreiche Stadtbeschreibung auf Bitten des Potsdamer Kartografen und Geografen Heinrich Berghaus verfasst, der sie ab 1852 in drei Bänden unter dem umständlichen Titel „Landbuch der Mark Brandenburg und des Markgrafthums Nieder-Lausitz in der Mitte des 19. Jahrhunderts oder geographisch-historisch-statistische Beschreibung der Mark Brandenburg“ herausgab. Auch aktuelle Stadtpolitik nahm Haensch in seiner Beschreibung mit auf. So wünschte er sich beispielsweise eine bessere Straßenpflasterung in der Vorstadt oder den Bau einer Havelbrücke zwischen der Inselstadt und dem heutigen Wildpark-West. Für beide Anregungen fand er bei den Stadtvätern jedoch kein Gehör. Neben allerlei kritischen Bemerkungen über die Werderschen, beispielsweise dass sie für die sonntäglichen Kollekten in der Kirche nur wenig Geld übrig haben, fand der Prediger über sie auch freundliche Worte, indem er feststellte, dass ihr Hauptcharakter unermüdliche Tätigkeit und Betriebsamkeit sowie Genügsamkeit sei, doch auch Gewinnsucht. Ein unentbehrliches Buch zur Heimatgeschichte hat damit Hartmut Röhn vorgelegt. Klaus Büstrin
ernsthafte Beyträge zur Geschichte der Stadt Werder, Hg. Hartmut Röhn, Lukas Verlag Berlin, 25 Euro
- showPaywall:
- false
- isSubscriber:
- false
- isPaid: