Stahnsdorf: Noch nicht weg vom Fenster

Stahnsdorf - Krisen hat der ehemalige Quelle-Shop in der Potsdamer Allee in Stahnsdorf schon viele erlebt. Nach einer überraschenden Kündigung drohte dem etablierten Geschäft wiederholt das Aus. Doch das Schicksal wollte es anders. An neuem Ort erweckte Christina Schmidt ihren Laden zu neuem Leben. Gestern feierte sie Eröffnung, am Wochenende Jubiläum.

„Ich wollte mir nicht diktieren lassen, wann ich aufhöre“, sagt die 64-Jährige. Eine Woche vor Ostern flatterte die Kündigung des Vermieters ins Haus. Nach 20 Jahren. Christina Schmidt fiel aus allen Wolken. „Ich sollte schon zum 30. Juni ausziehen“, sagt sie. Erinnerungen wurden wach. Der Druck, die Angst. Erneut stellten sich Fragen, vor denen sie schon allzu oft gestanden hatte. Wie soll es weitergehen? Bis zur Wende arbeiteten die gelernte Sekretärin und ihr Mann Wolf-Rüdiger Schmidt im VEB Geräte- und Reglerwerk in Teltow. Dann kam das Aus. „Der Gang zum Arbeitsamt war das Schlimmste“, erinnert sich Schmidt. „Du kommst dir vor wie unterm Teppich, wie der letzte Dreck“ , sagt sie. Durch Zufall stieß sie in der Zeitung auf eine Anzeige. „Quelle suchte Leute für seine Shops“, erzählt Schmidt.

Am 29. November 1995 eröffnete sie in der Potsdamer Allee 129 ihr Geschäft. „Ich habe wochenlang Prozentrechnung geübt.“ Der Versandhändler Quelle bot für viele seiner Produkte Ratenkauf an. Akribisch bereitete sich Christina Schmidt darauf vor. Der Laden lief. Drei Jahre, dann wurde ihr Mann arbeitslos. Sie tauschten die Rollen. Christina Schmidt bildete sich fort, suchte sich einen neuen Job. Ihr Mann führte den Laden. Das Glück hielt nicht lang. Wenig später erhielt auch sie die Kündigung, stand wieder vor dem Nichts. „Plötzlich stand da jemand von Quelle in unserem Laden, wollte gerade einen Shop in Mahlow aufbauen.“ Christina Schmidt griff zu. Sieben Jahre leitete sie den Laden dort, ihr Mann führte das Geschäft in Stahnsdorf – bis erst Neckermann, dann Quelle die Segel strich. „Das Überlegen ging wieder los.“ Wolf-Rüdiger und Christina Schmidt gaben den Laden in Mahlow auf, wieder half das Schicksal auf die Sprünge. Er fand einen neuen Job, Christina Schmidt übernahm den Shop in Stahnsdorf, das Angebot wuchs. Mittlerweile bietet der ehemalige Quelle-Shop ein buntes Potpourri an Angeboten an, Zeitungen, Lottoscheine, Tickets, Second-Hand-Kleidung, viele Dienstleistungen, von der Änderungsschneiderei bis zur Reinigung. Mit Stolz wird Christina Schmidt in den nächsten Tagen auch ihren neuen Kaffeeautomaten präsentieren. „Wenn du nicht flexibel bist, bist du weg vom Fenster“, sagt sie.

Heute ist ihr Laden aus Stahnsdorf nicht mehr wegzudenken. Eine Institution. „Das kann man sagen, ohne zu übertreiben“, findet sie. Viele Kunden kommen schon von Beginn an hierher. Aus den Nachbarkommunen, selbst aus Potsdam und Berlin. Tapfer hält Christina Schmidt dem Online-Bestellwahn stand. „Die Kunden brauchen die Beratung, einen Ansprechpartner“, sagt sie. Das ist der Bonus, von dem sie zehrt.

Nur 500 Meter von ihrem alten Domizil entfernt fand Christina Schmidt eine neue Bleibe – und Zukunftsperspektive. Am Wochenende feiert sie in der Potsdamer Allee 111 nicht nur Wiedereröffnung, sondern auch ihr 20-jähriges Bestehen. Solveig Schuster