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Wind und Wetter getrotzt. Dieser Stagediver wurde mit Freibier belohnt.

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KulTOUR: Nur die Harten ...

Bei 8 Grad und Dauerregen half beim „Rock in Caputh“ nur eins: Schuhe aus und im Schlamm tanzen.

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Schwielowsee - Manchmal kann man mit dem Mai machen, was man will, er bleibt trotzdem April – auch wenn man das Festival extra eine Woche nach hinten verlegt. Dabei fing der Freitag bei „Rock in Caputh“ eigentlich noch ganz vielversprechend an: Es blieb trocken und ganz angenehm, und spätestens als das „Berlin Boom Orchestra“ die bemüht-rockige Ersatzband „Killerpilze“ ablöste, kam sogar richtig Sommerfeeling auf. Irgendwo zwischen Reggae, Ska und den Übervätern Seeed importierten diese souverän sommerlich gute Laune.

Die hielt sich bei „The Love Bülow“ auf der großen Bühne, eine Hochzeit aus Hip-Hop und Funk, die leider gegen Ende in poppige Belanglosigkeit abdriftete. Was allerdings hängen blieb, war die Bühnenpräsenz – sicherlich ein Lehrstück für manch andere Band. Klar, gegen Abend wurde es kühler, aber solange es trocken und der Getränkeabsatz konstant blieb, ließ sich auch die Ausgelassenheit der letzten Jahre nicht vermissen.

Irgendwie lauerten ja auch alle auf den Headliner, die Spreewälder Metalcore-Combo „We Butter The Bread With Butter“, die sich die Notwendigkeit der Sinnlosigkeit auf die Fahnen schreibt. Na klar: Metal, der sich selbst zu ernst nimmt, wird schnell peinlich – wenn man aber wie „WBTBWB“ mit der Hintertür ins Haus fällt und Kinderlieder wie „Schlaf, Kindlein, schlaf“ mit ein paar Knochenbrecherriffs aufschaukelt, dann ist das eine Selbstironie, die hervorragend zündet. Die Scooter der tiefgestimmten Gitarren waren damit definitiv das unbestrittene Highlight des Festivals. Samstagvormittag zeigte sich dann, wer hart genug war, dem Wetter zu trotzen und aus dem Zelt zu kriechen. Aber es waren schon einige, die bei der unverzichtbaren Instanz „Dönerpunks“ zu „Freibier“-Rufen den ersten Pogo des Tages auf den Rasen legten. Noch war es auch zu schaffen, den aufkommenden Regen wegzuignorieren, was die Green-Day-Jünger „Boys Born Blond“ auch gut ermöglichten, genauso wie die Bluesrocker von „Liquid Silk“, die irgendwo zwischen Jimi Hendrix und Motörhead ein zugegeben kühles Woodstock entstehen ließen.

„Samavayo“ waren es jedoch, die mit rückkoppelnden Stonerriffs à la Kyuss eine Weltuntergangsstimmung erzeugten, dass der Regen knapp über der Bühne verdampfte – und dieser wurde langsam penetrant. Hatte man zunächst das Gefühl, dass der Regen nur von oben kam und man sich mit einem Schirm dagegen schützen könnte, war die Feuchtigkeit plötzlich überall, fast als würde es gleichzeitig von unten und oben regnen.

Einer der Verlierer des Festivals war sicherlich der nette Typ mit dem Softeisstand, dem das Eis aus Mitleid abgekauft wurde oder einfach, weil es gut war und die Festivalstimmung erzwungen werden sollte. Dabei bemühten sich auch die Bands mehr als redlich: Die Briten – sind sie es nun oder behaupten sie es nur? – „Will and the People“ wollten den Himmel aufreißen lassen, ihr Pixies-Cover brachte ihn aber nur noch mehr zum Weinen. Und man stelle sich eine so locker-flockige Mitsingband mit herrlich frischen Texten wie „Phrasenmäher“ unter herrlichem Sonnenschein vor!

Was blieb, war Frustration, ganz in Gestalt der 1979 gegründeten Hamburger Punkband „Slime“, die vor Energie sprühte – wie Anfang der Achtzigerjahre, als es noch revolutionär war, gegen Staat, System und Bullen zu revolutionieren. Das mag heute als Monument einer Ausstellung taugen, ist aber immer noch irre faszinierend. Wer danach noch blieb und Regen und Kälte trotzte, hat sich definitiv einen Orden verdient. Oliver Dietrich

Oliver Dietrich

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