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Potsdam-Mittelmark: „Nur die Wirtschaft kann das regeln“

Bauernverband weiter gegen staatliche Milchquote / Milchbauern im Landkreis zahlen derweil drauf

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Potsdam-Mittelmark – Was macht ein Milchbauer, der eine Million im Lotto gewinnt? „Er melkt seine Kühe, so lange er sich’s damit leisten kann.“ Ohne Lächeln liefert Randolf Breckau die Pointe zu diesem Witz, der zurzeit die Runde in der Landwirtschaft macht. Dem Vorstandschef der Havelland-Agrar Weseram im mittelmärkischen Roskow gehen täglich 1000 Euro durch die Milchwirtschaft verloren. Futter für die 775 Rinder muss gekauft, 43 Mitarbeiter wollen bezahlt werden. Nach wie vor ist es ein Zuschuss-Geschäft, „und seit fast einem Jahr fragen wir uns täglich, wie es weitergehen soll“.

Gestern war Krisensitzung in Roskow mit dem Kreis- und dem Landesbauernverband. Dessen Landesverbandschef Udo Folgart (SPD) unterstrich, dass der derzeitige Tiefstpreis von 20 bis 22 Cent pro Liter in erster Linie durch die Wirtschaftskrise verschuldet sei. Die Leute würden weniger Milch kaufen und so sei der Absatz das Problem, nicht die produzierte Menge. Folgart sprach sich erneut gegen eine staatliche Regulierung der Milchmenge in Deutschland aus, denn würden die Deutschen weniger produzieren, würden andere EU-Länder diese Lücke füllen. Und für eine europaweite Regelung gebe es nicht die nötige Mehrheit innerhalb der Staatengemeinschaft. Die EU-Milchquote als bisheriges Mittel gegen eine Überproduktion läuft 2015 aus.

Der Bauernverband in Land und Bund stellt das Auslaufen der Milchquote nicht in Frage und steht damit im krassen Gegensatz zum Verband der deutschen Milchviehhalter (BdM). Auch beim Anfang Oktober anberaumten Milchgipfel bei Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) konnte diese Kluft nicht überbrückt werden. Folgart warf dem BdM-Vorstand „unehrliches Verhalten“ seinen Mitgliedern gegenüber vor. „Nur die Wirtschaft kann das regeln“, so Folgart. Die Politik müsse indes günstige Rahmenbedingungen schaffen, zum Beispiel das Kartellrecht anpassen, wenn sich Molkereien zusammentun wollen, um gegenüber dem Einzelhandel höhere Preise zu fordern. Auch ein Europäischer Milchfonds würde helfen, wenn daraus Investitionen gefördert und Ausgleichszulagen an Betriebe in Randregionen gezahlt würden. Künftig müsse auch der Export gefördert werden, so Folgart. Schließlich müsse man für die Milch werben, in dem sie an Schulen und in sozialen Einrichtungen verteilt wird.

Immerhin: Mittlerweile erhole sich der Milchmarkt etwas. „Es ist ein zartes Pflänzchen, das gehegt werden muss“, so der Landesbauernchef, der auf den jüngsten Preisanstieg für das halbe Pfund Butter um 20 Cent verwies. Außerdem sei bei den Molkereien ein neuer Trend zu verzeichnen: Statt sich gegenseitig zu unterbieten, passe man sich mit den Preisen an.

In Roskow ist von alledem noch nichts zu merken. Nach wie vor zahlt die Molkerei nur 21 Cent pro Liter an den Betrieb von Randolf Breckau. „Wir haben qualifizierte Mitarbeiter, produzieren erstklassige Milch und haben eine gesunde Kälberzucht – wir haben alles im Griff, wenn da nicht der niedrige Milchpreis wäre“, sagt der Chef kopfschüttelnd. Entlassen wolle Breckau niemanden, die Mitarbeiter seien schon seit Jahren dabei und hätten anderswo kaum eine Chance. Breckau nennt das „soziale Verantwortung“. Und um die wahrzunehmen, möchte er nicht erst Lotto spielen müssen. Thomas Lähns

Thomas LähnsD

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