
© Enrico Bellin
Potsdam-Mittelmark: Odessa – Paris – Michendorf
Frank-Walter Steinmeier diskutierte an der Basis über Europapolitik und die Ukraine
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Michendorf - Der schwarze Mercedes fährt rasant bis vor den Eingang des SensConvent-Hotels Michendorf. Schwungvoll steigt Außenminister Frank-Walter Steinmeier aus dem Wagen. „Da staunst du, wa?“, begrüßt er seine Parteifreundin Susanne Melior, SPD-Kandidatin für das Europaparlament. Die beiden begrüßen sich vertraut. Mittags hatte Steinmeier noch am runden Tisch im Pariser Elysee-Palast neben Präsident Francois Hollande gesessen und über seine Gespräche in der Ukraine berichtet, am Dienstag vermittelte er mitten im Krisengebiet in Odessa. Am Mittwochabend dann diskutierte der Außenminister in Michendorf mit mehr als 100 Gästen auf Einladung des SPD-Ortsverbandes zum Thema „Europa neu denken“ – etwas ministerielle Entspannung in der Provinz.
„Wenn die europäische Außenpolitik in der Ukraine nicht glückt, werden das auch die Michendorfer spüren“, so Steinmeier zu Beginn der Debatte. Auf die schüchterne Frage eines Jungen aus dem Publikum, warum Deutschland überhaupt in den Konflikt eingreifen und so das Verhältnis zu Russland gefährden müsse, erklärte der Außenminister, dass das deutsche Verhältnis zu Russland bei einem Bruch in der Ukraine mehr leiden würde als bei einer friedlichen Lösung. In der Ukraine müssten sowohl die Regierung als auch die Separatisten überzeugt werden, die Konflikte friedlich zu lösen, sagt Steinmeier mit gewinnender Stimme. Eine Entschärfung der Lage könne erst mit einem legitimen Präsidenten nach der Wahl am 25. Mai eintreten.
Auch als sich eine Dame aus dem Publikum ausgiebig über das Engagement der USA in der Ukrainefrage aufregt, bleibt Steinmeier locker. Er schlägt die Beine übereinander, möchte die aktuelle Lage nicht verallgemeinert sehen: „Wir haben nicht auf der einen Seite die Friedensengel und auf der anderen die Bösewichte.“ Auch in Russland habe sich in den vergangenen Jahren vieles zum Guten gewendet. Trotzdem dürften in Europa 70 Jahre nach dem Ende des Zweiten Weltkrieges keine Grenzen mehr verschoben werden, betont Steinmeier mit Nachdruck.
Eine Steilvorlage für Susanne Melior: Sie wünsche sich eine stärkere europäische Rolle in der Außenpolitik. Es gebe zwar viele Dinge, die am besten vor Ort geregelt werden können. „Für Außenpolitik genauso wie für Umweltpolitik und das Verhandeln von Freihandelsräumen braucht es aber eine starke Rolle der Europäischen Union“, so Melior.
Vorurteile der Bevölkerung will sie abbauen. Beispielsweise wurde die viel kritisierte Richtlinie der EU zum Krümmungsgrad von Gurken bereits vor sechs Jahren wieder außer Kraft gesetzt – eingeführt wurde sie ohnehin nur auf den Wunsch von bayerischen Bauern. Meliors Stimmlage geht hoch, das Thema ist ihr wichtig. Man brauche dringend eine bessere Kommunikation aus Brüssel heraus. Positive Beschlüsse, beispielsweise die verhinderte Liberalisierung der Trinkwasserversorgung durch eine Onlinepetition mit 1,6 Millionen Teilnehmern, würden in der Öffentlichkeit kaum Gehör finden.
Allerdings, räumt sie ein, gebe es auch in Europa noch Baustellen wie die gemeinsame Flüchtlingspolitik. Die Länder in Südeuropa, allen voran Griechenland, würden mit dem Flüchtlingsansturm weitgehend alleingelassen. „Deutschland hat im Jahr 2012 nur 0,06 Prozent der weltweiten Flüchtlinge aufgenommen, da ist Platz nach oben.“
Brandenburg gehe hier mit gutem Beispiel voran. So stellte die Landesregierung fünf Millionen Euro zusätzlich zur Verfügung, um Flüchtlinge nicht nur in Unterkunftsblöcken einzuweisen, sondern kleinteilige Wohngelegenheiten zur Verfügung zu stellen. „Damit haben wir auch Proteste rechter Gruppen gegen die Flüchtlinge begrenzen können.“
Hier setzte eine Zuhörerin an, die den Einzug rechtsgerichteter Parteien ins EU-Parlament befürchtet. Susanne Melior hofft, dass sich auf europäischer Ebene ein Beispiel an Brandenburg genommen werde. Hier habe man es in den vergangenen Jahren mit viel bürgerlichem Engagement geschafft, „braune Flecken“ zu beseitigen. Frank-Walter Steinmeier rief das Michendorfer Publikum dazu auf, am 25. Mai proeuropäische Parteien zu wählen, um ein Zeichen gegen Rechts zu setzen. Dann setzte sich der Minister in die schwarze Limousine und fuhr ins Auswärtige Amt, die Ukraine forderte wieder seine volle Aufmerksamkeit.
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