Potsdam-Mittelmark: Ohne Heim
Tierhaltern in Werder ist der Weg zum neuen Tierheim in Beelitz zu weit
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Werder (Havel) - Mit großen Augen blickt Moritz in die Kamera. Nur 960 Gramm brachte der wenige Monate alte Jack-Russel-Rüde auf die Waage der Werderaner Tierschützerin Gisela Kleine, als er im Wald des Wildpark-West gefunden wurde. Dass Moritz überhaupt noch lebt, grenzt an ein Wunder: Es war neblig und nasskalt, als ein Jogger den Welpen entdeckte. Laut winselnd und bibbernd vor Kälte und Hunger saß Moritz in einem Körbchen – von seinen Besitzern in den sicheren Tod geschickt.
Seit zu Beginn des Jahres das Potsdamer Tierheim geschlossen wurde, hat sich die Lage für Tiere wie Moritz verschlechtert, sagt Niklas Wanke, Vorsitzender des Tierschutzvereins Potsdam und Umgebung. Neuer Ansprechpartner für herrenlose und abgegebene Tiere ist in vielen Gemeinden des Landkreises seit Januar das Pfötchenhotel in Beelitz. Doch bis Beelitz ist der Weg für einige Tierhalter offensichtlich zu weit, erklärt Wanke. Stattdessen landen die Tiere im Wald.
Schon früher wurden Tiere heimlich vor dem Potsdamer Tierheim ausgesetzt oder an den Zaun gebunden, um Abgabegebühren zu sparen. Nun fehlt diese Anlaufstelle. „Viele Tierbesitzer hält nicht nur die weite Entfernung ab, auch nimmt das Pfötchenhotel nicht alle Fälle an“, berichtet Wanke. Bei sogenannten „Abgabetieren“, von denen sich die Halter aus persönlichen Gründen wie Krankheiten oder finanzieller Not trennen müssen, entscheidet das Pfötchenhotel im Einzelfall und nach freien Kapazitäten über deren Aufnahme, auch hier gegen Gebühr. Für Fundtiere kommt hingegen der Landkreis auf.
„Ich habe Rotz und Wasser geheult, als ich das kleine Kerlchen gesehen habe“, sagt Gisela Kleine. Der Jogger, ein Nachbar ihrer Tochter, brachte Moritz zu ihr. „Alle waren im Aufruhr“, berichtet die Tierschützerin. Nur mit viel Glück überlebte der kleine Hund. „Zwei Stunden später, und Moritz hätte bei der Kälte eine Lungenentzündung bekommen, das stecken so kleine Hunde nicht mehr weg.“ Auch ein Griff des unkundigen Retters zu warmer Kuhmilch hätten für das geschwächte Tier das Aus bedeutet, erklärt Kleine. Sehr behutsam musste Moritz wieder aufgepäppelt werden.
Wie viele „Abgabetiere“ das Pfötchenhotel seit der Übernahme der Aufgaben als Tierheim schon angenommen habe, wurde dort nicht gezählt. Derweil sanken aber die offiziellen Zahlen der Fundtiere im Einzugsgebiet der Stadt Werder. Wurden hier im Jahr 2007 offiziell 94 Hunde und Katzen gefunden, musste das Pfötchenhotel bis heute nur 32 gefundene Hunde und Katzen aus Werder aufnehmen, teilte das Ordnungsamt auf Anfrage mit.
Dass die Zahl der ausgesetzten Tiere abgenommen habe, kann sich Tierschützer Niklas Wanke kaum vorstellen. Eher wurden die notleidenden Tiere von privaten Helfern aufgenommen und erst gar nicht bei den Behörden gemeldet. So wie im Fall des kleinen Moritz. Gisela Kleine fand bereits eine neue Familie für den jungen Rüden. Gemeldet hatte sie ihn nicht. „Muss es so weit kommen, dass die Tiere in den Wäldern ausgesetzt werden?“, klagt sie über das fehlende Tierheim.
Nun ist die 71-jährige Rentnerin erster Ansprechpartner für viele in der Umgebung, wenn sie ein Tier gefunden haben. Für Werderaner ist Gisela Kleine wohl einfach näher dran. Tobias Reichelt
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