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Potsdam-Mittelmark: Opfer müssen selbst aussagen
Reitlehrer aus Reckahn gesteht sexuellen Missbrauch an Jungen – aber nur teilweise
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Potsdam-Mittelmark - Die Einsicht kam, wenn überhaupt, zu spät: Erst in der Untersuchungshaft sei ihm bewusst geworden, dass er seinen Opfern Leid zugefügt habe, sagte der wegen sexuellem Missbrauch an Kindern und Jugendlichen angeklagte Frank E. am Donnerstag vor dem Potsdamer Landgericht. Über fünfzehn Jahre lang soll sich der Besitzer eines Reiterhofes in Reckahn an insgesamt fünf Jungen teilweise mehrfach sexuell vergangen haben. Die Staatsanwaltschaft geht von zwölf einzelnen Taten aus.
Strittig ist bislang, wie alt einige der Opfer zum Tatzeitpunkt waren. Die Jungen seien alle in der Pubertät, also zwischen 13 und 14 Jahre alt gewesen, gab E. beim Prozessauftakt am Donnerstag an. Den Missbrauch an jüngeren Kindern bestritt er – laut Anklage war das jüngste Opfer zum Tatzeitpunkt aber erst neun Jahre alt. Wie es im Einzelnen zu den Übergriffen kam, konnte E. allerdings auf Nachfragen des Vorsitzenden Richters Jörg Tiemann nicht mehr genau rekonstruieren. Klar ist nur: Er verwickelte die Jungen in Gespräche über Sexualität begrapschte sie dabei und ließ sich selbst berühren. In einigen Fällen bot er den Jugendlichen Pornofilme an. „Ich habe mir wohl ihre sexuelle Neugier zunutze gemacht“, so E. Nach Ansicht der Staatsanwaltschaft ist es dabei teilweise auch zu Oralverkehr gekommen – E. räumte diese schwere Form des Missbrauchs in nur einem Fall ein.
Weil sich der Angeklagte kaum an Details erinnern konnte, sah Richter Tiemann am Ende zu viele offene Fragen, um auf eine Vernehmung der Zeugen verzichten zu können. Entlastend könne das Geständnis aber nur gewertet werden, wenn den Opfern die Aussage erspart bliebe, sagte Tiemann. „Das ist hier aber nicht der Fall.“
Aufgeflogen waren die Missbrauchsfälle Ende Juni dieses Jahres: Damals hatte der Vater eines Opfers Anzeige gegen den 56-jährigen Besitzer des Reit- und Kutschfahrthofes erstattet – und damit den Stein ins Rollen gebracht (PNN berichteten). Die Staatsanwaltschaft hatte daraufhin die Durchsuchung des Reiterhofes und der angrenzenden Wohnung angeordnet. Dabei seien Beweise gesichert worden, die zu weiteren Hinweisen geführt hätten, hieß es bei der Staatsanwaltschaft. Unter anderem seien in einer Kammer auf dem Reiterhofgelände Pornofilme gefunden worden.
Die entscheidende Frage, ob es sich dabei um legales Material oder um die Darstellung von Minderjährigen handelte, blieb am ersten Prozesstag allerdings ungeklärt. Die Auffassung der Staatsanwaltschaft, dass es sich dabei zumindest in einem Fall um „jüngere Männer“ handle, konnte am Donnerstag nicht geklärt werden. E. bestritt, jemals Kinderpornografie konsumiert zu haben.
Von seinen Neigungen habe er bereits seit Langem gewusst, sagte E., der verheiratet ist und zwei Söhne hat. Er gab an, in seiner Jugend selbst einmal Opfer eines sexuellen Übergriffs gewesen zu sein. Zu den Jungen, die er missbrauchte, baute er ein Vertrauensverhältnis auf – in zwei Fällen bestand auch eine freundschaftliche Beziehung mit den Eltern. Angst, entdeckt zu werden, habe er nie gehabt. „Vielleicht wäre die ganze Sache dann schon viel früher aufgeflogen“, sagte E. Aber darüber habe er sich nie Gedanken gemacht. Wohl deshalb verbot er den Jungen nach eigenen Angaben auch nicht, über die Übergriffe zu sprechen. Auch Gewalt habe er nie angewendet – auch wenn die Anklage in einem Punkt von Nötigung spricht.
„Ich wollte den Jungen bei ihrer sexuellen Entwicklung helfen.“ Erst, wenn die Jungen auf seine Fragen nach ihrer Sexualität eingestiegen seien, sei er weitergegangen. Dass ein solcher Umgang mit Jugendlichen alles andere als angemessen ist, er den Jungen Leid zugefügt habe, sei ihm erst in der Untersuchungshaft und durch die Aussagen der Opfer bewusst geworden, so E.
Vier Monate sind vergangen, seitdem der Haftbefehl am 10. Juni dieses Jahres in Vollzug gesetzt wurde. „Ich schäme mich und kann mir meine Taten heute selbst kaum noch erklären“, sagte E., dem die Vernehmung offensichtlich unangenehm war. Die Untersuchungshaft habe ihn aber geläutert, ähnliche Vergehen könne er in Zukunft ausschließen. Dafür benötigt er nach eigener Einschätzung auch keine Therapie. Richter Tiemann hatte daran allerdings Zweifel. E’s Anwalt Matthias Schöneburg hält seinen Mandanten anders als Tiemann indes für voll geständig. „Es ist auch nicht in seinem Sinne, dass die Opfer als Zeugen geladen werden müssten – allerdings kann er um diesen Preis auch keine falschen Aussagen machen.“
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