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Extrem robust. Das explosionssichere Grubentelefon ist bei jungen Besuchern besonders beliebt.

© Kirsten Graulich

Potsdam-Mittelmark: Peilfunk und Kristallzucht

Das Industriemuseum Teltow wird erweitert. Die DDR-Industriegeschichte erhält dabei viel Raum

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Jahrzehntelang war es unverzichtbar: das „Fräulein vom Amt“. Die Fernsprechgehilfin, so die korrekte Berufsbezeichnung, brachte Leute über handvermittelte Verbindungen zusammen, indem sie mit flinken Fingern an einem sogenannten Klappenschrank Leitungen zusammenstöpselte. So ein Klappenschrank steht auch im Industriemuseum Teltow, das am Samstag der Presse neue Ausstellungsbereiche vorstellte. Der Begriff Klappenschrank wurde von der Technik abgeleitet, bei der die Anrufe in der Vermittlungsstelle durch das Herunterklappen von Nummern angezeigt wurden. „Hier Amt, was beliebt?“, meldete sich draufhin das Fräulein und der Teilnehmer am anderen Ende nannte die Nummer des Apparates, mit dem er verbunden werden wollte. Doch zuvor musste er erst einmal kurbeln, um einen Stromkreis aufzubauen. Solche Kurbeln sind auch noch an einigen der historischen Telefone zu finden, die im Ausstellungsbereich Kommunikation zu sehen sind.

Vor über hundert Jahren wurde viel Wert auf individuelle Details gelegt, wie lederummantelte Hörergriffe oder aufwändig verzierte Hörergabeln beweisen. Später wurden die Apparate kleiner und einfacher gestaltet, traditionell waren die Telefone mit der „Fingerlochscheibe“, so die amtliche Bezeichnung, meist schwarz. Teile der Technik kamen aus Teltow. Bei jugendlichen Besuchern sei das Grubentelefon besonders beliebt, berichtet Museumschef Hartmut Wittich, auch weil es noch funktioniere und ausprobiert werden dürfe. Das lautstarke Läutewerk ist in allen Räumen des Museums zu hören, was der lärmenden Umgebung im Bergwerk angepasst war, weshalb auch zwei Hörer an dem Apparat hängen. Dessen robuste Ausführung aus Gusseisen schützte das Gerät zudem vor Schlagwetter und Explosionen.

Dass ein Pionier der drahtlosen Telegrafie, Georg Wilhelm Alexander Graf von Arco, seine ersten Versuche zum Peilfunk in Teltow durchführte, geht in der Ausstellung leider etwas unter. Industriemodelle, wie das einer Asphaltmischanlage aus dem Teltomat, sind ausgestellt, aber auch neueste Technik wie ein Hybridmodell der Berliner Ingenieurgesellschaft Auto und Verkehr. Viel Raum wird der DDR-Industriegeschichte eingeräumt. Neben der Polymerenchemie, der Halbleitertechnik und Mikroelektronik wurde kürzlich der Ausstellungsteil der Automatisierungstechnik erweitert. Der beginnt mit der Dampfmaschine, die die manuelle Arbeit ablöste und zeigt elektro-mechanische Geräte wie sie einst die Firma Askania baute. Das Unternehmen hatte bereits 1923 einen Tunnelofen in Hennigsdorf mit einem Stahlrohr-Regler ausgerüstet und dieses hydraulische System später auch in anderen Anlagen eingesetzt, um Industrieprozesse zu automatisieren.

Mit der Firma Askania, die 1946 die „Askania-Feinmechanik und Optik GmbH Teltow“ als Tochtergesellschaft gründete, kam die Automatisierungstechnik nach Teltow. Zwei Jahre später wurde die Firma enteignet und in „VEB Mechanik Akania Teltow“ umbenannt. Kurze Zeit später begann die Produktion von Mess- und Regelgeräten sowie Reglerschränken.

1962 wurde der Betrieb, der sich nun Geräte- und Reglerwerke (GRW) nannte, zum zentralen Anlagenbau der BMSR-Technik und baute komplette Automatisierungsanlagen. Was aus Zulieferungen nicht zu bekommen war, musste selbst entwickelt und produziert werden. Zum Stammwerk Teltow gehörten nun elf Betriebsteile sowie mehrere Außenstellen. In den 70er-Jahren wurden erstmals Prozessrechner in die Automatisierungsanlagen integriert, die für Devisen auch ins Ausland geliefert wurden.

Mit dem Prozessleitsystem Audatec kamen 1984 Mikroprozessoren in der Automatisierung zum Einsatz. Unter „Mikroelektronik Stahnsdorf“ (MLS) firmierte in der Region ein Betrieb dieser Schlüsseltechnologie, auf dessen Entwicklungsprogramm auch Dioden aus Silizium und Germanium standen. Mit der Züchtung von Kristallen liefen erste Versuche, auf einem Chip Bauelemente zu integrieren. Wissenschaft und Technik, so die offizielle DDR-Strategie, sollten der Republik die Weltmarktfähigkeit sichern. Doch in der Praxis mangelte es oft an Material und so wurde den Wissenschaftlern und Ingenieuren viel Erfindergeist und Risikobereitschaft abverlangt.

Museum in der Oderstraße 23, geöffnet: dienstags bis samstags, 10 bis 16 Uhr.

Kirsten Graulich

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