Potsdam-Mittelmark: Pfarrkonvent missbilligt Stasi-Präsenz im Kreistag Offener Brief aus dem Kirchenkreis Lehnin-Belzig an die mittelmärkischen Kreistagsfraktionen
Potsdam-Mittelmark - Gegen die Mitgliedschaft früherer Stasi-Mitarbeiter im mittelmärkischen Kreistag hat sich der Pfarrkonvent des Kirchenkreises Lehnin-Belzig gewandt. Die 17 unterzeichnenden Pfarrer und Kirchenmitarbeiter „missbilligen und betrachten mit Sorge, dass uns im Kreistag nach wie vor Personen repräsentieren, die durch ihre Tätigkeit bei der Staatssicherheit der DDR großes persönliches Leid in vielen Fällen zu verantworten haben“, heißt es in einem offenen Brief an die Kreistagsfraktionen.
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Potsdam-Mittelmark - Gegen die Mitgliedschaft früherer Stasi-Mitarbeiter im mittelmärkischen Kreistag hat sich der Pfarrkonvent des Kirchenkreises Lehnin-Belzig gewandt. Die 17 unterzeichnenden Pfarrer und Kirchenmitarbeiter „missbilligen und betrachten mit Sorge, dass uns im Kreistag nach wie vor Personen repräsentieren, die durch ihre Tätigkeit bei der Staatssicherheit der DDR großes persönliches Leid in vielen Fällen zu verantworten haben“, heißt es in einem offenen Brief an die Kreistagsfraktionen. Bei den betreffenden Personen sei weder Einsicht in ihr zerstörerisches Handeln noch Reue zu erkennen, „weder Begeisterung für das demokratische Miteinander noch Freude an der Förderung einer offenen Gesellschaft“.
Der Brief zielt gegen Bernd Lachmann und besonders gegen Sieghard Rabinowitsch. Nach dem Bericht einer Stasi-Prüfkommission war den beiden Abgeordneten der Links-Fraktion von der Mehrheit der Kreistagsmitglieder im Juni der Mandatsverzicht nahegelegt worden. Rabinowitsch arbeitete bis zur Wende hauptamtlich als Stasi-Offizier in Belzig, Lachmann soll als NVA-Feldwebel mit der Stasi kooperiert haben. Beide lehnen einen Rücktritt ab, zum Unmut der Kirchenleute.
„Wir gehen davon aus, dass Offiziere der Staatssicherheit sich als Speerspitze eines antidemokratischen Staatswesens begriffen und offenbar diese Prägung nicht abgelegt haben“, wie es in dem offenen Brief heißt. „Wie Saulus zu Paulus wurde, glauben wir, dass jeder Mensch sich ändern kann. Zur Änderung gehört die Einsicht, woran und wem gegenüber ich mich schuldig gemacht habe.“ Dass schließe eine Tätigkeit in früheren Handlungfeldern aus, meint der Pfarrkonvent. „Wir sehen es als hochproblematisch an, dass im Angesicht der Opfer die Täter über Erstere Macht ausüben und schlimmer noch sie auch repräsentieren wollen.“ Man erhoffe von den Tätern Einsicht in ihre Schuld und entsprechendes Handeln.
Mitunterzeichner Helmut Kautz, Pfarrer in Brück, sagte gestern gegenüber den PNN, man gehe davon aus, dass sich der Kreistag mit dem Brief befasst. Für die Kirchenleute sei es wichtig, den Stasiopfern, die oft bis heute unter ihrem Schicksal leiden, eine Stimme zu geben. In den Gemeinden sei das Thema immer noch präsent, die aktuelle Diskussion habe viele Kirchenmitglieder „innerlich aufgewühlt“. Nicht zuletzt seien einige jetzige und frühere Pfarrer vor der Wende selbst mit der Stasi aneinandergeraten.
Im Fall eines Pfarrers im Ruhestand belegen Aktenauszüge, dass Rabinowitsch Maßnahmen organisierte, die eine Inhaftierung des Kirchenmannes wegen „Herabwürdigung der staatlichen Ordnung“ zum Ziel hatten. Grund dafür waren kritische Meinungsäußerungen des Pfarrers zur Politik der SED (PNN berichteten).
Der Vorsitzende des Kreisverbandes der Linken, Wolfgang Erlebach, erklärte gestern auf PNN-Anfrage: „Es gibt hier von allen Seiten die Bereitschaft, über konkrete Betroffenheiten und Konsequenzen zu reden. Mit pauschalen Schuldvorwürfen tun wir uns aber schwer.“ Ärgerlich sei, wenn Rabinowitsch vom Pfarrkonvent fehlende Begeisterung für das demokratische Miteinander und eine offene Gesellschaft unterstellt werde. „Er hat sich vor seine Kreistagskandidatur viele Jahre als Ortsbürgermeister von Wiesenburg, im Förderverein für den Park Wiesenburg und im Sportverein engagiert.“ Dies sei ein Grund für die Linken gewesen, ihn vor drei Jahren für den Kreistag aufzustellen. „Es gab in seinem Wahlkreis sechs Kandidaten, die auf unserer Liste vor ihm platziert waren. Sieghard Rabinowitsch hat die zweithöchste Stimmenzahl bekommen, obwohl den Wählern seine Vergangenheit bekannt war“, so Erlebach.
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