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Caputh und Michendorf: Planenschlitzer-Banden machen mittelmärkische Raststätten unsicher
Immer mehr Laster werden auf mittelmärkischen Autobahnraststätten überfallen. Besonders betroffen sind die Parkplätze in Michendorf und Caputh. Polizei und Spediteure sind alarmiert.
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Michendorf/Caputh - Sie agieren nachts, sind auf Autobahnparkplätzen und -raststätten unterwegs, von Dienstagabend bis Freitagfrüh. In der einen Hand ein Endoskop, in der anderen ein Messer. Während der Lastwagenfahrer in der Kabine schläft, schlitzen organisierte Banden die Plane des Frachtraums auf, spähen aus. Wenn die Ladung wertvoll genug ist, wird eine weitere Diebestruppe gerufen. Sie rückt mit einem Kleintransporter an, die Fracht wird ausgeladen. Bis der Fahrer den Diebstahl bemerkt, sind die Täter meist schon über die Landesgrenze in Richtung Polen verschwunden.
Sogenannte Planenschlitzer sind zu einem massiven Problem auf märkischen Autobahnen geworden, das bestätigte der Leiter der Kriminalpolizei der Polizeidirektion West, Sven Mutschischk, am Mittwoch bei einem Pressegespräch. Allein im vergangenen Jahr wurden in der Polizeidirektion West, zu der auch Potsdam-Mittelmark gehört, 603 Fälle registriert. In diesem Jahr seien bereits knapp 400 Lkw aufgeschlitzt worden. Der Schaden belaufe sich allein 2016 bereits auf knapp eine Million Euro, so Mutschischk. Ein Drittel der Summe entfalle auf das entwendete Diebesgut, der Rest sei Sachschaden. Die Täter seien organisierte Banden aus Polen, die besonders häufig auf der A10 an der Raststätte Michendorf Nord sowie dem Parkplatz Caputh, auf der A2 an den Raststätten Buckautal Nord und Süd sowie am Parkplatz Wendgraben nahe Brandenburg/Havel zugreifen würden.
Kaffee, Kosmetik, Glühwein - Nichts ist sicher
Das Diebesgut ist vielfältig: Von Flachbildschirmen über E-Bikes bis hin zu Windeln. „Alles, was man gut zu Geld machen kann“, so der Kripoleiter. Selbst Kaffee und Kosmetikartikel würden kisten- oder palettenweise mitgenommen. In den seltensten Fällen zwar räumten die Diebe den kompletten Laster leer. Doch selbst wenn die Ware wertlos ist, wird zugegriffen. Zu den kuriosesten Diebesgütern zählt unter anderem eine Kerze oder eine Flasche Glühwein. Auch wenn der Schaden gering erscheint, Spediteure müssen ihre zerstörte Plane reparieren oder ersetzen. Kostenpunkt: bis zu 3000 Euro.
Seit einem Jahr versuche die Polizei das Phänomen mit Sondereinsätzen einzudämmen, sagte der Chef des Landesverbandes des Berliner und Brandenburger Verkehrsgewerbes, Eberhard Tief. Massiv zugenommen hätten Diebstähle durch Planenschlitzer seit etwa zwei Jahren. Laut Tief sei der Verband bereits mit Herstellern von Lkw-Auflegern im Gespräch, um die Planen sicherer zu machen. Mittlerweile würden starre Metallgitter in den Plastikstoff eingewebt, um Dieben das Aufschlitzen und Ausspähen zu erschweren. Eine weitere Sicherheitsmaßnahme seien Warneinrichtungen, die den schlafenden Fahrer oder direkt die Dispositionsstelle alarmierten. „An oberster Stelle steht in solchen Fällen die Sicherheit des Fahrers.“
Vor allem ausländische Spediteure sind betroffen
Auch würde laut Tief das Angebot an sicheren, gebührenpflichtigen Parkplätzen nahe der Autobahnen zunehmen. Deutsche Speditionsunternehmen greifen auf derartige Angebote oder andere Parkplatzalternativen abseits der Autobahn offenbar zurück. Laut Kripo-Chef Mutschischk seien die Opfer von Planenschlitzern in der Polizeidirektion West vor allem ausländische Spediteure – was die Polizeiarbeit durch umständliche Befragungen der ausländischen Fahrer deutlich erschwere.
Fragt man bei einem der größten Versicherer für deutsche Spediteure nach, so ist auch hier das Problem bekannt. Das Planenschlitzen sei gängige Praxis, so Hans Kuckels von der Oskar Schunck GmbH & Co. KG. Er hingegen habe keinen deutlichen Anstieg festgestellt, auch die Versicherungsprämien hätten sich nicht weiter erhöht. Jedoch würden Spediteure bereits wissen, welche Strecken als „sensibel“ gelten, so Kuckels. „Zum Einsatz kommen zudem auch immer öfter schlitzsichere Planen“.
Schlecht beleuchtete Raststätten, keine Kameraüberwachung
Trotz aller Vorsichtsmaßnahmen, die Täter haben auf märkischen Autobahnraststätten noch immer leichtes Spiel. Lkw-Fahrer müssen Ruhezeiten einhalten, Parkplätze und Raststätten sind gerade im autobahnreichen Potsdam-Mittelmark unter der Woche oft bis auf den letzten Platz belegt. Durch die Mittelmark verlaufen vier Autobahnen, im gesamten Bereich der Polizeidirektion, zu der auch der Landkreis Havelland und Teltow-Fläming gehören, ist das Autobahnnetz 190 Kilometer lang. 30 Parkplätze müsste die Polizei kontrollieren, viele von ihnen schlecht beleuchtet, mit wenig Verkehr, so Mutschischk. Selbst die großen Raststätten haben keine Kameraüberwachung im Parkplatzbereich. Zwischen den dicht an dicht stehenden Fahrzeugen sei ohnehin kaum jemand zu erkennen.
Da bleibt der Polizei nicht viel anderes übrig, als sich an den Brennpunkten öfter zu zeigen und auf ausgewählten Parkplätzen auf die Lauer zu legen. 13 Täter seien bisher gefasst worden, jedoch musste die Polizei sie wieder laufen lassen. „Für Sachbeschädigung und Diebstahl kommt niemand ins Gefängnis“, so Mutschischk. Den Dieben müssten die Beamten organisierte Bandenkriminalität nachweisen, um sie hinter Gitter zu bringen. Die geschnappten Täter seien zumindest registriert, so Mutschischk. Wiederholungstaten könnten somit besser nachvollzogen werden. Doch nicht die Planenschlitzer stehen im Fokus der Ermittler. Es sind die Hintermänner, die von Polen aus die Diebstähle organisieren, an denen rund zehn Täter – aufgeteilt in Ausspäher und Ausräumer – beteiligt sind. Dafür sei man bereits im Austausch mit den Kollegen aus Polen.
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