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Potsdam-Mittelmark: Polizei sucht Kontakt zu Lehrern

Fachtagung in Beelitz: Auch im ländlichen Bereich will man Gewalt an Schulen vorbeugen

Beelitz - Etwa 30 Straftaten gehen auf das Konto von Pascal, darunter Diebstahl, Sachbeschädigungen und Körperverletzung. Hinzu kam Schulbummelei, weil Pascal seine Zeit lieber in der Clique verbrachte. Mit einer solchen Karriere gilt der Elfjährige für die meisten als Täter. Seiner verzweifelten Mutter, die an den Jungen nicht mehr herankam, warf das Jugendamt vor, sie habe versagt.

Die Geschichte von Pascal, die Christine Kernich von Stibb e.V (Sozial-Therapeutisches Institut Berlin-Brandenburg) am Montag während der Fachtagung „Gewaltprävention an Schulen“ erzählte, sei charakteristisch dafür, dass „immer nur die Täter-Seite gesehen wird“. Den Sozialtherapeuten von Stibb gelang es auch, die Ursachen für Pascals Verhalten herauszufinden – und da zeigte sich, dass der Junge auch Opfer war. Denn zu den meisten Taten hatten andere Jugendliche und ein Erwachsener die Kinder angestiftet. Zudem wurden sie von dem 30-Jährigen sexuell missbraucht.

Noch vor einigen Jahren habe sich die Arbeit von Stibb vor allem auf Mädchen konzentriert, berichtete Kernich, doch zunehmend richte sich der Blick auf Jungen, die ebenso von Gewalt betroffen seien. „Wir haben es dabei viel mit Eltern zu tun, die psychisch instabil sind, selbst Opfer von Gewalt wurden und die Orientierung verloren haben.“ Als weitere Aufgabe käme deshalb hinzu, auch Eltern stabilisieren zu müssen. Doch die seien schwer zu erreichen, stellte Polizeidirektor Sven Bogacz, Schutzbereich Brandenburg, fest.

Auch deshalb Lösungsansätze will er in Schulen aufzeigen, gerade mit Blick auf die jüngsten Ereignisse an der Berliner Rütli-Schule. Zwar habe man solche Extremsituationen im ländlichen Bereich zwischen Beelitz, Belzig und Werder nicht, aber es gelte auch hier, der Kriminalität an Schulen vorzubeugen und ein wirkungsvolles Netzwerk aufzubauen. Dass noch großer Gesprächsbedarf besteht, zeigte die Tagung im Tiedemann-Haus, zu der rund 50 Teilnehmer kamen, darunter viele Schulleiter, Vertreter von Behörden und Jugendeinrichtungen. So würden Auseinandersetzungen in Schulen immer häufiger mit Gewalt gelöst. Und Straftaten wie Abzockerei würden erst gar nicht angezeigt, weil die Schulen um ihren Ruf fürchten. Das gelte auch für Delikte mit Betäubungsmitteln, sagte der Polizeidirektor, weshalb es Polizei und Justiz schwer hätten, hier einzugreifen. Dabei hätten Lehrer ebenso wie Polizisten eine Lizenz zum Einmischen, befand Bogacz, da sie wie Seismographen zuerst registrieren, was in der Gesellschaft schief läuft.

Polizeihauptmeisterin Ute Claßen, die mit ihrer Kollegin Brigitte Thiele Schulen bei Präventionsprojekten unterstützt, beobachtete schon in Kitas, dass einige Kinder versuchen, andere zu isolieren. Derartiges Mobbing würde sich dann verschärft an Grund- und Oberschulen fortsetzen, oft unbemerkt von Lehrern. Hemmungslos werde auch auf Opfer eingeschlagen, die bereits am Boden liegen. Körperliche Gewalt sei in Gymnasien zwar eher die Ausnahme, aber dort würden Machtspiele, vor allem von Mädchen, auf die Psyche ihrer Opfer zielen.

Erfahren haben die beiden Polizistinnen auch, dass das Klima einer Schule von Klassenfrequenz und Schülerzahl abhängig ist. Die jüngsten Schulschließungen hätten sich negativ ausgewirkt, da Schulen zusammengelegt wurden und mit der Zahl der Schüler auch das Aggressionspotenzial gewachsen sei, so Claßen.

Dass man sich im ländlichen Bereich kenne, mildere manches ab. Doch Grund zum Zurücklehnen gebe es nicht, so Polizeidirektor Bogacz. Deshalb will die Polizei den Dialog mit den Lehrern fortsetzen. Kirsten Graulich

Kirsten Graulich

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