Von Henry Klix: Potsdamer Harmonie
Wie ein japanisches Geschenk an die Landeshauptstadt seinen Platz im Fercher Bonsaigarten fand
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Potsdam / Schwielowsee - Die Zen-Mönche aus Japan meinten das Geschenk sehr ernst: Am 9. November 1990 – zum ersten Jahrestag des Mauerfalls – bekam die Stadt Potsdam eine „Sacred Stupa“ geschenkt, eine heilige Friedenspagode, die „dem Leben in Harmonie“ gewidmet sein sollte. Oberbürgermeister Horst Gramlich fühlte sich „der Idee dieser Pagode verpflichtet“, als sie auf dem früheren Grenzstreifen am Quapphorn im Neuen Garten aufgestellt wurde. Sie passte in die unruhige Zeit. Doch aus dem Symbol des Friedens sollte ein Symbol des Vergessens werden.
Die Schlösserstiftung signalisierte sofort, dass der Standort nicht von Dauer ist. Als ein Jahr später die Grenzanlagen für die Gartengestaltung beräumt waren, wurde der Obelisk zum Stein des Anstoßes. Die Stahnsdorfer Steinmetzfirma Melior bekam den Auftrag, ihn abzubauen. Und Heinz-Otto Melior erklärte sich bereit, ihn zwischenzulagern. Für ein, zwei Jahre. Seitdem stand die Pagode zwischen Gesteinsbrocken und Müllcontainern auf dem Hof der Firma. Drei Jahre, vier Jahre, fünf, sechs . Gelegentlich fragte Melior beim Rathaus nach, doch es sah sich von der Tragweite überfordert, wollte keinen Unfrieden. Es sollten 16 Jahre vergehen.
Bis voriges Jahr ein RBB-Reporter, ein Kunde des Stahnsdorfer Steinmetzen, nach dem merkwürdigen Artefakt auf seinem Hof fragte. Das hatte Folgen: Der Potsdamer Kulturverwaltung wurde von der Sendung „Die Jury hilft“ für ihre Renitenz der „Ärmelschoner“ verliehen. Das Rathaus wurde ordentlich vorgeführt, das war wohl notwendig: Erst durch die spitzen Fragen an Kulturbeigeordnete Gabriele Fischer sollte der Stein ins Rollen kommen.
Das Rathaus erinnerte sich blitzartig an eine angestaubte Anfrage aus Ferch: Vier Jahre zuvor hatte sich Tilo Gragert vom Bonsaigarten um die Pagode bemüht. Auch er hatte sie bei Melior stehen sehen, als er für eine Gartenerweiterung nach Steinen suchte. Unterstützt wurde die Umzugsidee vom Präsidenten der Deutsch-Japanischen Gesellschaft Potsdam, dem inzwischen verstorbenen Thilo Graf Brockdorff. Das reichte nicht. Gragert: „Es fand sich einfach niemand, der eine Entscheidung treffen konnte.“ Es blieb nicht bei einer Anfrage – vom Bonsai züchten hat Tilo Gragert Ausdauer gelernt. Geduldige zwei Jahre schrieb er Briefe, führte Telefonate, um den 15 Tonnen schweren Stein nach Ferch zu bewegen. Im Rathaus wurde er herumgereicht wie eine entsicherte Granate.
Zwei Jahre später der RBB-Beitrag, dann der Anruf. In der Pressemitteilung der Stadtverwaltung liest sich das so: „Der Fachbereich Kultur und Museum und die beteiligten Partner sind seit Herbst 2007 bemüht, eine langfristige Lösung für die Aufstellung der japanischen Steinpagode an einem geeigneten, öffentlichen Ort zu finden. Nach Prüfung unterschiedlichster Möglichkeiten erwies sich der Bonsaigarten Ferch bei Potsdam, dem Zentrum der japanischen Kunst und Kultur, als sehr geeignet.“ Die Stadt dankt Steinmetz Melior „für das große Engagement und die Unterstützung“. Na bitte!
Seit gestern steht der Stein am Eingang des Gartens. Morgen um 15 Uhr wird er bei einem Kirschblütenfest festlich eingeweiht. Vertreter der Japanischen Botschaft und der Deutsch-Japanischen Gesellschaft werden erwartet, Schwielowsees Bürgermeisterin Hoppe, Birgit-Katherina Seemann vom Kulturamt. Wer weiß, vielleicht kommt der RBB.
Gragert meint: Es gibt keinen günstigeren Platz als seinen Bonsaigarten, wo Oliven als Bäume des Friedens stehen, wo Zen-Meister Swami Prem Jagran einen zeremonischen „Lauf des Friedens“ abhielt. Der Ort ist still und friedlich. Und auch wenn die Wende etwas her ist, sei die Friedenspagode aktuell. Das Fundament der Dauerleihgabe hat Gragert selbst bezahlt, 1000 Euro. Er will noch was schriftliches von der Stadtverwaltung, man weiß ja nie. Der vier Meter hohe Stein wurde diesmal so einzementiert, dass er sich nicht mehr umstellen lässt. Ein Zement des Friedens.
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