Werder (Havel): Potsdams Mietspiegel gilt auch in Werder
Es ist kein Scherz: „Die Stadt Werder ist in weiten Teilen mit der Landeshauptstadt Potsdam unmittelbar und im Übrigen im Wesentlichen vergleichbar“, heißt es etwas umständlich im Richterspruch.
Stand:
Werder (Havel) - Es gibt alle Arten von Schulen, ein Ärztehaus, verschiedene Einkaufsmöglichkeiten, viele Restaurants, ein Kino und ein Theater. Mehrere Verwaltungsbereiche des Landkreises sind in Werder ansässig und man erreicht schnell die Potsdamer Innenstadt. Die Aufzählung stammt aus einem Urteil des Potsdamer Amtsgerichtes zu einem Mietrechtsstreit. Und sie ist die Begründung, warum das Gericht den Potsdamer Mietspiegel auch in Werder für anwendbar hält – mit einem zehnprozentigen Abschlag, weil Werder kleiner ist, kein Krankenhaus und keine Universität hat.
Es ist kein Scherz: „Die Stadt Werder ist in weiten Teilen mit der Landeshauptstadt Potsdam unmittelbar und im Übrigen im Wesentlichen vergleichbar“, heißt es etwas umständlich im Richterspruch. Ein Mieter des Scheunhornwegs, der sich geweigert hatte, einer Mieterhöhung zuzustimmen, wurde deshalb zur Zahlung vergattert. Es ist nur einer von insgesamt 55 Fällen, bei denen Mietern aus dem Scheunhornweg, die eine Mieterhöhung nicht bezahlen wollten, vom Amtsgericht der Potsdamer Mietspiegel vor die Nase gehalten wurde. Dem Vermieter hatte der Amtsrichter sogar ausdrücklich empfohlen, doch den Potsdamer Mietspiegel zu nutzen. Ursprünglich hatte der nämlich die Erhöhungen mit drei Vergleichswohnungen begründet.
Und das kam beim Urteil heraus: 6,82 Euro beträgt die ortsübliche Miete in Potsdam laut dem vom Amtsgericht genutzten Potsdamer Mietspiegel aus dem Jahr 2010 für eine Wohnung, die zwischen 1991 und 2010 gebaut wurde, über 90 Quadratmeter groß und und voll ausgestattet ist. Der Oberwert liegt bei 8,37 Euro. Der Richter befand aufgrund der besonders schönen Lage am Scheunhornweg in Werder im betreffenden Fall 6,59 Euro für angemessen.
Die Mehrfamilienhäuser am Scheunhornweg sind vor 15 Jahren von einem Immobilienfonds errichtet worden, heute sind sie im Eigentum mehrerer GbRs. Einige der betroffenen Mieter sind gegen die Amtsgerichtsurteile in Berufung gegangen, der beschriebene Fall wird am 7. Dezember beim Potsdamer Landgericht verhandelt. Beim Mieterbund Brandenburg gibt es Kopfschütteln über die Urteile. Die kleinstädtische und ländliche Prägung von Werder sei mit der Landeshauptstadt nicht vergleichbar, sagte Ilka Stolle vom Landesvorstand, die als Werderaner Rechtsanwältin einen der betroffenen Mieter vertritt, den PNN. Ein zehnprozentiger Abschlag würde die Unterschiede nicht ausgleichen.
Aus rechtlicher Sicht könnten Mietspiegel von Nachbarorten ohnehin nur herangezogen werden, wenn sie „in Gänze“ vergleichbar sind, so Stolle mit Verweis auf ein Urteil des Heidelberger Landgerichts. „Eher noch hätte man den Teltower oder Ludwigsfelder Mietspiegel nehmen können“, meint die Mietrechtsexpertin. Ihr Eindruck: Das Amtsgericht wollte den Berg Dutzender Klagen schnell vom Tisch haben.
Für den Mieterbund ein Grund mehr, einen Mietspiegel für Werder zu fordern. „Das ist überfällig“, sagt Stolle. Die Treffsicherheit, eine ortsübliche Miete durchzusetzen, sei höher als bei den Vergleichswohnungen, die die Vermieter häufig angeben, und erst recht beim Potsdamer Mietspiegel. Mehrere Vorstöße in diese Richtung seien aber erfolglos geblieben.
Mit Verweis auf die Urteile fordert jetzt auch die Werderaner SPD einen Mietspiegel, um mehr Rechtssicherheit für die Bewohner zu erlangen, wie Fraktionschefin Anja Spiegel argumentiert. „Ein Mietspiegel ist eine Orientierung für Mieter und Vermieter und er befriedet auch.“ In den Ausschüssen der Stadtverordnetenversammlung soll darüber beraten werden. Große Erfolgsaussichten gibt es wohl nicht, obwohl solche Forderungen inzwischen auch aus der Bevölkerung kommen.
Bei einer Veranstaltung im Treffpunkt des diakonischen Werks am Dienstagabend mit dem Titel „Lebens(t)raum Werder“ waren bezahlbare Wohnungen das wichtigste Thema. Alle zwei Jahre würden die Mieten im Scheunhornweg steigen, wie eine ältere Anwohnerin beklagte. Sie erzählte von einer Neuvermietung, bei der die Miete von 480 auf 630 Euro kletterte. Beigeordnete Manuela Saß bestätigte, dass bezahlbarer Wohnraum in Werder zunehmend schwer zu bekommen sei – auch weil die Bindungsfristen für Fördermittel für den sozialen Wohnungsbau vielerorts auslaufen. Um günstige Wohnungen auf der Jugendhöhe zu bauen, bilde die kommunale Wohnungsgesellschaft HGW gerade Rücklagen. Ob ein Mietspiegel an der Situation etwas ändern kann, bezweifelt Saß allerdings. „Der dokumentiert ja auch nur, welche Miethöhen es gibt.“
- Hochschulen
- Kino
- Potsdam: Innenstadt
- Schule
- Schule und Kita in Potsdam
- Theater in Potsdam
- Werder (Havel)
- showPaywall:
- false
- isSubscriber:
- false
- isPaid: