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KulTOUR: „Powerspiel“ statt Trauerspiel

„Woesner Brothers Company“ eröffnete Theaterfrühling in Beelitz / Schweizer Zicke vs Wiener Trottel

Stand:

Beelitz - Am kühlen Pfingst-Sonnabend eröffnete die Berliner „Woesner Brothers Company“ den ersten Beelitzer Theaterfrühling mit einem klaren „Oder“. Denn wenn schon „Jahrmarkt in Beelitz“, dann war doch die Frage zu klären, ob man besser Komödie oder Tragödie spielen solle. Die Konkurrenz schlief ja nicht, wie die etwa dreißig Zuschauer im gut bedachten „Brainstrom-Room“ aus dem Munde des dicklichen, aber sehr regen Prinzipals Nepomuk erfuhren: Längst war in einer spargelstädtischen Seitenstraße die Bühne einer zweiten Truppe aufgebaut. Sie stammt aus England und bevorzugt die Komödie.

Man hörte Namen wie Mr. Python oder Hanswurst Monthy. Weil es hier nun zwei Schauspieltruppen, aber nur ein Publikum gab, war den englischen Herren natürlich daran gelegen, die Vorstellung des Theaterdirektors Nepi zustören. Freilich hatte der schon genug zu tun, seine beiden Spieler im selbstgeschriebenen Stück um König Ottokar an seiner Leine zu halten, denn die beiden Giftspritzen schreckten vor Worten wie „Schweizer Bergzicke“ und „Wiener Trottel“ nicht zurück.

Auf dem Marktplatz selbst (wo war die Kirche am Rundhorizont?) wurden derweil der Marktvorsteher fast zur Verzweiflung gebracht, eine Wollunterhosen verkaufende Französin vertrieben und einem Dichter nicht nur die Deklamation seiner Verse erlaubt: Er zirzte zwei ausgetrocknete Beelitzer Mütter so lange, bis sie, quäkende Babys auf den Armen, um Nachschub an erotischen Worten flehten. Ihre gutbestallten Männer waren wohl zu sehr mit schnödem Tagwerk beschäftigt. Dreiundzwanzig Figuren tauchten bei diesem ins Schönefelder „Pfötchenhotel“ verlegten Jahrmarktsfest letztendlich auf, dargestellt von dem Gebrüdern Ingo und Ralph Woesner sowie Seraina Kobelt, eine echte „Schwyzzerin“.

Was sollte man sagen oder loben! Es war ein höchst unterhaltsames Bühnenspektakel, darin die Figuren Komödie und Tragödie spielen oder kräftig „strieseln“ durften, jede Figur ihre eigne Sprache und eignen Gestus führte, wo Langeweile stets ein Fremdwort blieb, weil doch alles so neu und leichtgängig wirkte. Alles in guter Prosa, in Blankvers oder Schüttelreimen vorgetragen. Eine höchst erstaunliche Produktion auch im Technischen: So viele und blitzartige Kostüm- und Perückenwechsel würde kein neuzeitlicher Modezar hinkriegen, vom Geist dieses Abends ganz zu schweigen.

Die Woesner-Brüder haben seit 2001 vierzehn Bühnenprojekte verwirklicht, die meisten selbstgeschrieben. Da weiß man, wie dicht Komödie, Satire, Persiflage beieinander liegen, Clownsspiel, Moritat oder Tragödie. Ohne Zweifel spielen sie die Frage „Komödie oder Tragödie“ auch in eigener Sache durch, damit es am Berliner Standort weitergehe...

An Lokalkolorit sollten die Spieler noch einiges zulegen, vom rasenden Tempo in diesem Powerspiel etwas wegnehmen, manche Pointe auch mehr wirken lassen, es ist ja mehr Geist in diesem Spektakel, als seine leichtfüßige Außenseite zeigt. Ging es nun um Komödie oder um Tragödie, wenn die Berliner den Bundes-Vize Bierse mit langem Rauschebart auftreten ließen, Beelitz eine Sanierungs-Kur behufs Kultur empfahlen? Am Ende dreht die Handlung: Um seine amateurhaften Darsteller loswerden, inszeniert Nepo Theater auf dem Theater. Um dasselbe aber für Beelitz zu retten, übernimmt er dann die Hauptrolle bei der Konkurrenz. Was wird gespielt? Eine satirische Komödie alias Tramödie. Da war’s aus mit dem „Oder“ – oder?

Wiederholung am 25. Juni. Am 29. Mai, 19.30 Uhr, gibt es von Woesners „Zwei Genies am Rande des Wahnsinns“

Gerold Paul

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