Uhrenpreis nach Mittelmark?: Präzision aus Brandenburg
Eine in Bliesendorf gebaute Uhr hat Chancen auf den bekanntesten deutschen Uhrenpreis, die „Goldene Unruh“.
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Werder (Havel) / Potsdam - Frank Kleber kann es immer noch nicht fassen: Seine „Kleber Clubtime“ ist für den bekanntesten deutschen Uhrenpreis, die „Goldene Unruh 2013“, nominiert. Präzision aus Brandenburg – neben Chronografen von Breitling, Omega oder Chronoswiss, den Riesen der Branche. Klebers kleine Ein-Mann-Manufaktur in Bliesendorf – die einzige in Brandenburg – wurde derweil gerade erst aus der Taufe gehoben. Hinzu kommt: Der 43-Jährige ist Autodidakt, hat in seinem vorherigen Berufsleben als Industriekaufmann 13 Jahre lang Dachziegel verkauft.
Die Geschichte beginnt vor vier Jahren: Damals setzt sich Kleber an den Schreibtisch, mit dem Zirkelkasten und Buntstiften seines Sohnes, und entwirft eine Uhr – mit dem Ziel, sie auch zu bauen. „Von der Sache her geht es darum, zu fräsen, zu bohren, zu schleifen und zu schweißen.“ Das kann er. Als Kind war Modellbau sein Hobby, Eisenbahnen und Flugzeuge, er machte dann doch eine ordentliche Kaufmannslehre.
Angeregt von einem Bekannten hatte er vor einigen Jahren mit dem Sammeln historischer Uhren begonnen, hat sie zerlegt und gereinigt, repariert, Ersatzteile gefertigt, die nicht zu bekommen waren. Tagelang übte er das Zapfendrehen, bevor es ohne Brüche funktionierte. „Irgendwann gaben mir Freunde ihre Uhren zum Reparieren.“ Gefragte Ersatzteile wie die Anschlagfeder der „Le Coultre Futurematic“ begann er, in kleinen Serien selbst herzustellen und bei Ebay zu verkaufen, weltweit. Bis er schließlich kaputte 10 000-Dollar-Uhren aus den USA geschickt bekam, um sie ganz zu machen. „Da sagte ich mir: Jetzt hast du zehn Jahre Uhren repariert, jetzt kannst du mal selbst eine bauen.“
Der gebürtige Potsdamer will etwas ganz Besonderes aus Brandenburg kreieren. Damals am Küchentisch entsteht ein Ziffernblatt, das er auch nach einer Woche noch wunderschön findet.Über einen Schweizer Konzessionär organisiert er sich edle Rohwerke. Die Firma Fricker in Pforzheim sagt ihm zu, die Gehäuse zu bauen, Cador aus Eimeldingen die Ziffernblätter. Allein für die Aufzugskrone verhandelt Kleber mit vier verschiedenen Zulieferern. Sein Anspruch: 85 Prozent der Teile sollen aus Deutschland kommen.
Im August 2011 hat er alle 200 Teile für die erste „Kleber Clubtime“ zusammen. Ein Jahr später ist er selbstständig. Inzwischen hat er 40 seiner Uhren gebaut und 25 verkauft, 80 Prozent an Potsdamer Unternehmer, denen das polierte Ergebnis märkischen Unternehmergeists imponierte. Beim jüngsten Potsdamer „Ball der Wirtschaft“ war seine „Clubtime“ der Hauptpreis einer Tombola. Die wundersame Story dahinter ist im Gewimmel etwas untergegangen.
Besuch in Klebers Kellerwerkstatt: Er führt seine Fräse und die 100 Jahre alte Drehmaschine vor, Werkzeuge en miniature. Er demonstriert seine Gewindeschneider und Bohrer, die bei 0,1 Millimeter beginnen. Seine Werkstatt ist ein Flohzirkus aus Zahnrädchen, Wellen und Präzisionswerkzeugen, in der man für die ruhige Hand auf den morgendlichen Kaffee besser verzichtet.
Kleber erklärt, wie er das Rohlaufwerk einer Schweizer „Venus 175“ frisiert, sich jedes Rädchen vorknöpft, wie er sich Gedanken macht, ob die Schräubchen flach oder gewölbt besser erscheinen, wo er rot vergoldet und wo galvanisch schwärzt. Er zeigt, wie er auf besonderen Wunsch Perlmutt und Brillanten im Ziffernblatt einlegt, die Pendelschwungmasse einer Automatik mal in Ankerform gestaltete. Durch den Saphier-Glasboden kann man in Klebers kleine Wunderwelt, das mechanische Laufwerk, schauen.
Bis Ende nächsten Jahren will er 100 seiner Uhren verkauft haben – und expandieren. 3800 bis 8000 Euro kosten die Modelle, je nachdem, ob die Käufer neben der Stoppuhr und der Tagnacht-Anzeige auch über die Gangreserve informiert sein wollen oder eine Automatik wünschen. Klebers Uhren sind im Bekleidungsfachgeschäft „Herr Knuth“ in der Potsdamer Mittelstraße und im Manufaktursalon in Baden-Baden zu haben, außerdem beim Potsdamer Uhrmacher Detlef Walinski, seinem wichtigsten Förderer, von dem er die ersten Hinweise und Werkzeuge bekam. Walinski freut sich über den guten Start. „Wenn Frank einen größeren Namen hätte, Adolph Lange oder Patek Philippe vielleicht, würde sich der Erfolg der Clubtime noch schneller einstellen“, meint er. „So braucht er etwas Geduld.“
Kleber geht es derweil schon schnell genug, sein kleiner Keller reicht nicht mehr, auf dem Bliesendorfer Grundstück, wo er mit der Familie wohnt, soll ein Atelier entstehen. Drei Leute will er einstellen, vielleicht mal ein Damenmodell seiner Clubtime entwickeln und bauen. Nach den ersten Gesprächen hat er das Gefühl, dass viele an dieser Erfolgsgeschichte beteiligt sein wollen. „Ein Bauunternehmer hat mir angeboten, den Werkstattneubau erst mal kostenlos hinzustellen.“
Er sei stolz, etwas geschaffen zu haben, „mit dem Potsdam und Brandenburg glänzen können“. Das hat inzwischen auch die Potsdamer Handwerkskammer anerkannt: Seit einem halben Jahr steht Kleber als Uhrmacher auf der Handwerksrolle. Im Dezember folgte dann die Nominierung zur „Goldenen Unruh“. Kleber: „Ich war geflasht.“ Am morgigen Donnerstag ist in München die Preisverleihung.
Allein dass er aus dem Kaltstart unter fast 100 Uhren der Preiskategorie bis 5000 Euro unter die besten zehn gewählt wurde, in München zwischen den Koryphäen der Branche sitzen wird, muntert ihn mächtig auf. Auch ohne Kaffee.
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